In den Armen des Spions
Zuflucht im besten Hotel. Ständig auf der Hut, speisten sie zu Abend, dann zogen sie sich nach der Einteilung der Wachen zur Nacht zurück. In den beiden Tagen, seit sie Lyon verlassen hatten, war nichts geschehen. Sie alle fühlten sich genötigt, ständig über ihre Schultern zu gucken.
Als er die Tür des großen Zimmers schloss, das er und Emily sich teilen würden, überlegte Gareth, dass es niemanden in ihrer kleinen Truppe gab, der nicht tief innerlich das Gefühl hatte, dass die Schwarze Kobra irgendwo lauerte, sich zusammenrollte, um dann erneut zuzuschlagen.
Vor einer Scheune in den Wäldern um Dijon stand Onkel an einem Feuer und wärmte sich unauffällig die Hände. Es ging nicht, dass er sich eine Schwäche anmerken ließ, aber die Kälte dieser nördlichen Nächte drang ihm tief in die Glieder.
Um das Feuer versammelt hockte der Rest der Männer, die er aus Marseille mitgenommen hatte - mehr als fünfzehn, mehr als genug. Sie bewegten sich unruhig und warfen ihm immer wieder verunsicherte Blicke zu.
Schließlich schaute Akbar auf und stellte die Frage, die ihnen allen durch den Kopf spukte.
»Wann sollen wir zuschlagen? Wenn wir ihnen auflauern und dann aus dem Hinterhalt zuschlagen ...«
»Nein.« Onkel wurde nicht lauter. Er sprach leise und ruhig, sodass sie sich anstrengen mussten, um seiner Weisheit teilhaftig zu werden. »Das Schicksal hat uns bereits aufgezeigt, dass das nicht der Weg ist. Haben wir es nicht wieder und wieder versucht, nur um uns blutige Nasen zu holen? Nein - wir brauchen einen neuen Plan, eine bessere Taktik.« Er hielt inne, um sicherzugehen, dass sie sich seinem Diktat beugten. Als niemand widersprach, nicht einmal Akbar, sprach er weiter. »Sie sind immer wachsam, daher werden wir das zu unserem Vorteil nutzen. Wir werden sie ermüden mit ihren eigenen Befürchtungen. Wir werden sie warten lassen und warten und warten ... und dann, wenn sie so zermürbt sind vom ewigen Warten und ein einziges Mal müde die Augen schließen, dann ist das der Zeitpunkt, an dem wir handeln werden.«
Mit der Faust schlug er in die andere Hand, lief dann auf und ab und schaute ihnen in die Gesichter.
»Wir müssen aufpassen und sie beobachten. Sie müssen unsere Nähe spüren, müssen spüren, dass wir jeden ihrer Schritte verfolgen. Wir werden sie beobachten, aber keinen Angriff unternehmen, sodass sie Zeit haben, sich die schlimmsten Dinge auszumalen, wie und wann wir unseren Schlag führen werden. Wir werden ihre Furcht wachsen lassen, bis sie sie von innen auffrisst.«
Zufrieden mit dem, was er sah, blieb er stehen, nickte ernst und verkündete seinen Beschluss:
»Wir werden ihnen weiter folgen - und dann werden wir den rechten Zeitpunkt wählen.«
6. Dezember 1822
Am Abend
ln einem weiteren Zimmer in einem kleinen Landgasthof
Liebes Tagebuch,
morgen werden wir in Amiens eintreffen. Mit jeder Meile weiter nach Norden ist das Wetter immer winterlicher geworden, komplett mit düsterem grauem Himmel und eisigem Wind. Wir mussten tief in unsere Koffer Vordringen, um zu warmer Kleidung zu gelangen. Ich trage nun Kleider, die ich nicht mehr angelegt hatte, seit ich England verlassen habe.
Meine Kampagne geht weiter, und auch wenn Gareth mir noch seine unsterbliche Liebe gestehen muss, kann ich zu meiner Freude berichten, dass wir uns nähergekommen sind, was zweifelsohne aus unseren gemeinsam verbrachten Nächten herrührt, aber auch durch die Gefühle bedingt ist, die die jüngste Taktik des Feindes bei uns hervorgerufen hat.
Natürlich sind wir wachsam, aber bis auf eine gelegentliche Sichtung von Sektenanhängern aus der Ferne hatten wir keinerlei Kontakt mit der Schwarzen Kobra - nicht bis wir Saint Dizier verlassen haben. Dieses Scharmützel - von ihrer Seite so offenkundig halbherzig - hat unseren Verdacht erhärtet, dass die derzeit herrschende verhältnismäßige Ruhe daher stammt, dass der Feind damit beschäftigt ist, etwas viel Schlimmeres auszuhecken.
Etwas, das vor uns liegt, zwischen uns und England.
Weit davon entfernt, uns zu beruhigen, hat unser allzu leichter Erfolg außerhalb von St. Dizier bei uns nur für mehr Anspannung gesorgt und dafür, dass wir enger zusammenrücken und nur noch entschlossener als je zuvor sind, die Pläne dieser Schufte zu vereiteln und Englands Gestade zu erreichen.
England zu sehen ist nun unser gemeinsames Ziel, an das wir uns alle klammern.
Was mein anderes Ziel angeht, so wünschte ich, ich hätte meine Schwestern hier, um sie
Weitere Kostenlose Bücher