In den Armen des Spions
nicht sicher, ihrer selbst nicht mehr sicher.
»Wir müssen sobald wie möglich aufbrechen, daher ...«
»Ich dachte, wir wollten heute Morgen die verschiedenen Möglichkeiten diskutieren, die uns offenstehen.«
Er dachte zurück und ging im Geiste nochmals ihre Unterhaltung des vergangenen Nachmittags durch.
»Ich habe gesagt, ich wollte prüfen, welche Möglichkeiten sich uns bieten und Sie davon unterrichten, sobald ich sie kenne. Der Lastkahn ist unsere beste Chance, den Sektenanhängern zu entkommen.«
Ihr Kinn hob sich.
»Was ist mit Reiten? Viele Leute reiten nach Mokka - das ist die gewohnte Route für Kuriere. Und es ist doch sicher besser, sich frei an Land bewegen zu können, statt festzusitzen auf einem - habe ich das recht verstanden? - eher behäbigen, langsam vorankommenden Wasserfahrzeug?«
Das stimmte, aber ... war das hier ein Streit?
»Die Straße nach Mokka führt durch eine Wüste und felsiges Gebirge, die beide von Räuberbanden bevölkert sind, mit denen die Regierungen Abkommen haben, bestimmte Kuriere unbehelligt passieren zu lassen. Das ist der Weg, von dem die Anhänger der Schwarzen Kobra glauben, dass wir ihn nehmen werden - sie werden sich an unsere Fersen heften, sobald wir die Stadt verlassen oder, schlimmer noch, sie werden an den Gebirgspässen auf uns warten. Sie sind gewiss eine ausgezeichnete Reiterin, und meine Leute sind das auch, aber was ist mit Ihrer Zofe, Mullins und Watson? Werden sie in der Lage sein, bei einer Verfolgungsjagd mit uns mitzuhalten?«
Sie blickte ihm in die Augen, und er sah, dass sie sie langsam zusammenkniff. Ihre Lippen waren zu einer schmalen Linie zusammengepresst.
Der Augenblick dehnte sich. Er war es nicht gewohnt, sich mit anderen abzusprechen; er war es gewohnt, die Entscheidung zu treffen, Befehle zu geben. Und wenn sie und er zusammen reisen wollten, würde sie sich damit abfinden müssen, dass es nur einen einzigen Anführer geben konnte.
Innerlich wappnete er sich für ihre Erwiderung, als sich zu seiner Überraschung ihre Miene änderte - auf welche Weise genau, hätte er nicht sagen können - und sie nickte. Einmal.
»Nun gut. Dann wird es der Lastkahn sein.«
In der Ferne läutete eine Glocke und rief sie zum Essen.
Zu seiner noch größeren Überraschung und auch Sorge, um nicht zu sagen Unbehagen, lächelte sie ihn strahlend an.
»Ausgezeichnet! Ich bin halb verhungert. Und nachdem unsere Weiterreise geregelt ist, können wir beginnen, umzupacken.«
Sie wirbelte herum und ging hocherhobenen Hauptes vor ihm aus dem Zimmer.
Er folgte ihr langsamer, den Blick auf ihren Rücken gerichtet und wunderte sich. Er müsste erfreut sein, dass sie nachgegeben hatte. Er sagte sich, dass er das war, aber er spürte auch ...
Erst als er in jener Nacht im Bett lag, fiel ihm schließlich das richtige Wort ein, das ihre Reaktion passend zusammenfasste.
Sie hatte eingelenkt.
Er schnaubte abfällig, rollte sich auf die andere Seite und zog sich das Laken über die Schulter. Er machte sich keine Sorgen. Sie würde es schon noch lernen.
4. Oktober 1822
Noch in Aden im Gasthaus
Liebes Tagebuch,
in wenigen Stunden werden wir mit der ersten Etappe unserer gemeinsamen Reise beginnen - und wenn wir erst einmal unterwegs sind, wird er - Major Gareth Hamilton - nicht mehr in der Lage sein, mich wegzuschicken. Ich stand kurz davor, ihn darauf hinzuweisen, dass ich keiner seiner Männer bin, und er daher auch nicht einfach annehmen solle, dass ich einfach zu jeder Entscheidung von ihm Ja und Amen sage. Aber gerade noch recht zeitig ist mir eingefallen, dass wir ja noch in Aden waren und damit in Reichweite der Kompanieschiffe. Sollte er es sich in den Kopf setzen, dass es zu viele Schwierigkeiten mit sich bringt, wenn ich ihn begleite - oder, wie er es ausdrücken würde, es zu gefährlich für mich ist - dann traue ich es ihm durchaus zu, dass er eine Schaluppe kommen lässt und mich und meine Leute darauf verfrachtet, damit wir entweder nach Bombay zurückkehren oder weiter zum Kap reisen, um von da aus mit einem Linienschiff heimzufahren.
Daher habe ich jäh mein Verhalten geändert. Da ich ihn nun einmal besser kennenlernen muss, ist die Heimreise gemeinsam zu unternehmen und ihm täglich nahe zu sein schlicht eine zu günstige Gelegenheit, um sie ungenutzt verstreichen zu lassen.
Sicher, seine Angewohnheit, immer über alles bestimmen zu müssen, ist beklagenswert tief in ihm verwurzelt, aber ich kann mir auch noch später dazu eine Meinung
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