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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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gemocht hatten, und Fälle, in denen Liebe und Hass vollkommen unangebracht erschienen waren. Manche Tragödien verstand man nur allzu leicht, obwohl die damit verbundenen Gefühle und das Verständnis dafür bei weitem nicht einfach waren.

8
    Monk hätte sich ebenfalls gewünscht, Merrit verteidigen zu können, ohne gleichzeitig dasselbe für Breeland tun zu müssen, aber er war zu sehr Realist, um sich einzubilden, dass das möglich sein könnte. Er hatte die beiden auf der langen Reise über den Atlantik beobachtet. Er wusste, Merrit würde das nie zulassen. Was immer sie über Breeland denken mochte oder wie groß ihr Grauen vor der Realität des Krieges auch sein mochte, ihr Charakter basierte auf Treue. Sich selbst auf seine Kosten zu retten, hätte bedeutet, alles zu leugnen, was sie schätzte. Es wäre einer Art Selbstmord gleichgekommen.
    Es überraschte ihn auch nicht, dass Breeland sich immer noch mehr um die Wiederherstellung seines Namens und damit der Ehrenhaftigkeit der Sache, der er sich verschrieben hatte, sorgte, als um die Art, wie Merrit die Gefangenschaft und die Furcht und das Leiden ertrug. Bei dem Gedanken an Rathbones Abneigung lächelte er und stellte sich vor, welche Wertschätzung er für Merrit hegen musste, für ihre Jugend, ihren Enthusiasmus und ihre Verwundbarkeit. Während er über die Tottenham Court Road ging und nach einem Hansom Ausschau hielt, fragte er sich, welche Empfindungen Rathbone wohl Judith Alberton gegenüber gehabt haben mochte und ob ihm ihre bemerkenswerte Schönheit aufgefallen war.
    Die Augustsonne war heiß, sie flimmerte über dem Straßenpflaster und blitzte in harten, glitzernden Lichtfunken auf Pferdegeschirren, polierten Kutschentüren und sogar in den Fenstern der Geschäfte.
    Ein kleiner Schuhputzer nahm von einem Kunden mit Zylinderhut einen Penny in Empfang. Dann winkte er einem Mädchen, das Muffins verkaufte.
    Monk winkte eine Kutsche heran und nannte dem Fahrer die Adresse der Polizeistation, wo er hoffte, Lanyon so früh am Morgen anzutreffen. Es war ganz natürlich, hier zu beginnen, auch wenn er jetzt das Gegenteil von dem zu beweisen versuchte, was am Anfang wie die Wahrheit ausgesehen hatte.
    Er hatte Glück. Er traf Lanyon, als dieser gerade die Treppe herunterkam. Er war überrascht, Monk zu sehen, und blieb stehen, wobei sich in seinem Gesicht Neugier abzeichnete.
    »Suchen Sie nach mir?«, fragte er fast hoffnungsvoll. Belustigt über sich selbst, grinste Monk. »Ich stehe jetzt im Dienst der Verteidigung«, sagte er unverblümt. Er schuldete Lanyon die Wahrheit und war nicht gewillt, ihn anzulügen oder Ausflüchte zu erfinden.
    Lanyon ächzte, aber seine Augen drückten keine Kritik aus.
    »Tun Sie es wegen des Geldes oder aus Überzeugung?«, fragte er.
    »Wegen des Geldes«, erwiderte Monk. Lanyon grinste. »Ich glaube Ihnen nicht.«
    »Aber Sie haben dennoch gefragt!«
    Lanyon setzte sich mit langen federnden Schritten in Bewegung, und Monk passte sich seinem Tempo an. »Tut mir Leid wegen des Mädchens«, fuhr Lanyon fort. »Ich wünschte, ich könnte glauben, dass sie unschuldig ist, aber sie war dort auf dem Hof.« Er warf Monk einen kurzen Seitenblick zu. Auf seinem Gesicht lag der Schatten des Bedauerns, und er versuchte Monks Reaktion zu lesen.
    Monk bemühte sich um ein ausdrucksloses Gesicht, was ihn Mühe kostete.
    »Woher wissen Sie das?«
    »Die Uhr, die Sie fanden… es war Breelands, natürlich, aber er hatte sie ihr als Andenken geschenkt.«
    »Behauptet er das?«
    Lanyon zog die Mundwinkel nach unten. »Glauben Sie etwa, ich würde sein Wort ernst nehmen? Nein, er erwähnte diesen Umstand nicht einmal, und ich machte mir auch nicht die Mühe, ihn danach zu befragen. Es tut eigentlich nichts zur Sache, was er sagt. Miss Dorothea Parfitt erzählte es uns. Sie ist eine Freundin von Miss Alberton, und offensichtlich zeigte Miss Alberton ihr die Uhr; sicher wollte sie auch etwas prahlen.« Er sah trübselig vor sich hin und überließ es Monk, sich die Szene selbst auszumalen und seine eigenen Schlüsse zu ziehen.
    Sie gingen an dem Karren eines Erdbeerverkäufers vorbei.
    Monk erwiderte nichts. Seine Gedanken rasten. Er versuchte mehrere Vorstellungen von Merrit zu einem kongruenten Ganzen zusammenzufügen: Wie sie mit der Uhr prahlte, die Breeland ihr als Zeichen seiner Liebe geschenkt hatte; wie sie im Hof des Lagerhauses stand und Breeland beobachtete, der ihren Vater und die beiden Wächter in jene verkrampfte und

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