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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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er.
    »Denkst du das?«, insistierte sie.
    »Was?«
    »Denkst du, Shearer brachte Daniel Alberton um?«
    »Möglich. Wo warst du?«
    »Im Small Pox Hospital in Highgate. Wir versuchen immer noch, die Arbeitsqualität der Mitarbeiter zu steigern, die sich dort um die Patienten kümmern, aber es ist schwierig. Die meiste Zeit habe ich damit verbracht, Briefe zu schreiben.«
    Es lag ihm auf der Zunge, einige Bemerkungen über Florence Nightingale fallen zu lassen, die in ihren Bemühungen, eine Reform der Krankenhäuser herbeizuführen, unermüdlich Briefe geschrieben hatte, aber er verkniff es sich. Dies erklärte Hesters Müdigkeit. Schon vor Monaten hatte er versprochen, jemanden für die Hausarbeit einzustellen, aber er hatte es vergessen.
    »Das würde bedeuten, dass Merrit nicht schuldig ist«, sagte sie und beobachtete ihn scharf. »Und es würde erklären, dass Breeland alles ohne ihr Wissen tat.«
    »Das würde dir gefallen, stimmt’s?« Es war eine Feststellung.
    Sie zögerte nur einen Augenblick. »Ja«, gab sie zu. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er unschuldig ist, aber ich möchte wirklich glauben, dass Merrit es ist.«
    Er entspannte sich ein wenig. »Du solltest anfangen, dich nach jemandem umzusehen, der täglich ins Haus kommt, wenn auch nur für ein paar Stunden.«
    Sie dachte einige Minuten über den Vorschlag nach, beobachtete dabei sein Gesicht und versuchte zu beurteilen, ob er allzu großzügig war.
    Er konnte ihre Gedanken lesen, als ob sie auf ihre Stirn geschrieben wären.
    »Sieh dich nach jemandem um«, wiederholte er.
    »Vielleicht für drei Tage in der Woche, zum Putzen und um einen Teil des Kochens zu übernehmen.«
    »Ja«, nickte sie. »Ja, das werde ich tun.« Sie sah ihn an, und in ihren Augen begann sich ein Lächeln auszubreiten.
    Er war außerordentlich erfreut, als ob er ihr das schönste Geschenk überhaupt gemacht hätte, und vielleicht war es das auch, denn sein Geschenk bestand in der Zeit, die sie dann den Aufgaben widmen konnte, denen ihre ganze Leidenschaft galt, Zeit, um jene Fertigkeiten auszuüben, die sie im Überfluss besaß. Er lächelte zurück, breit und bereitwillig.
    Auch sie las seine Gedanken. Sie knabberte an ihrer Lippe.
    »Ich kann doch kochen!«, sagte sie hastig.
    »Einigermaßen wenigstens.«
    Er widersprach nicht, grinste nur.
    Am nächsten Morgen ging er zum Fluss und befragte Hafenarbeiter und Kahnführer, dieses Mal jedoch nicht bezüglich des Wegs, den die Waffen genommen haben könnten, sondern über Shearer.
    Er brauchte bis zum frühen Nachmittag, um jemanden ausfindig zu machen, der Shearer gekannt hatte, aber alles, was er ihm sagen konnte, war lediglich eine Bestätigung dessen, was Monk bereits von den Männern im Lagerhaus erfahren hatte. Shearer war hart, ehrgeizig und kompetent, aber nach allem, was Monk so hörte, verhielt er sich Alberton gegenüber loyal. Niemand sprach mit Zuneigung von ihm, aber die Gesichter der Männer und die Untertöne in ihren Stimmen drückten stets einen gewissen Respekt aus.
    Monk stand immer noch vor einem Rätsel. Das Bild, das sich von Shearer ergab, passte nicht besonders gut zu den Fakten. Während er die Straße entlanglief, war er sich kaum des vorüberströmenden Verkehrs bewusst, der schwer beladenen Wagen, der Männer, die sich etwas zuriefen, der Kräne, die Waren emporhievten oder sie herabließen, des Waldes aus Masten von den Booten, die in der Flut schaukelten, und der gelegentlichen Möwen, die hoch über ihm ihre Kreise zogen.
    Shearer war verschwunden, das schien unbestreitbar. Die Waffen waren nach Amerika verschifft worden, Breeland und Merrit waren auch dorthin gefahren. Alberton und die beiden Nachtwächter waren tot, ermordet.
    Der Prahm mit den Musketen war flussabwärts bis Bugsby’s Marshes gefahren, und danach blieb er unauffindbar. Breeland und Merrit schienen mit dem Zug nach Liverpool gefahren zu sein, aber der einzige Zug, mit dem sie fahren konnten, war vor den Morden abgefahren und auch, bevor die Waffen das Lagerhaus verlassen hatten.
    Es hatte den Anschein, Shearers Verwicklung in das Geschehen sei der einzige Umstand, der alle drei Dinge miteinander in Verbindung bringen konnte, um überhaupt einen Sinn zu ergeben.
    Irgendjemand musste mehr über Shearer wissen, könnte vielleicht sogar etwas über das Schiff wissen, das die Themse bis zu Bugsby’s Marshes hinaufgefahren war, die Waffen an Bord geladen, anschließend den Anker gelichtet hatte und wieder hinaus

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