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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Vertrauen fehl am Platz war. Ich denke, Sie wären erfreut, mich hängen zu sehen, solange nur Miss Alberton freigesprochen wird und Sie Ihr Honorar für ihre Rettung erhalten. Sollte ich Ihnen Unrecht tun, entschuldige ich mich. Ich hoffe, es ist so.«
    Monk betrachtete das glatte, fein gemeißelte Gesicht, in dem er kein Gefühl, keine Furcht, keine Schwäche, keinerlei Zweifel an dem eigenen Mut erkannte, das Martyrium zu ertragen, das nur noch zwei Tage entfernt war. Er hätte ihn bewundern sollen, stattdessen erfüllte ihn Breelands Haltung mit Angst. Er war nicht sicher, ob Breelands Verhalten übermenschlich oder unmenschlich war.
    »Ich nehme Ihre Entschuldigung an«, erwiderte er mit unterkühlter Stimme. »Natürlich wünsche ich mir den Freispruch für Miss Alberton, und ich gebe zu, dass es mich einen feuchten Kehricht schert, ob Sie hängen oder nicht… vorausgesetzt, Sie sind schuldig… ob Sie die Schüsse nun selbst abgaben, tut nichts zur Sache. Wenn Sie Shearer oder jemand anderen bestachen, um die Morde für Sie auszuführen, dann ist das für mich dasselbe.
    Wenn Sie das nicht taten und Sie mit alldem nichts zu tun hatten, dann werde ich mich für Sie ebenso einsetzen, wie ich es für jeden anderen tun würde.«
    In Breelands Gesicht zuckte Belustigung auf, ein Anflug von Ironie. Plötzlich schoss Monk der Gedanke durch den Kopf, dass Breeland sich selbst als Held oder Märtyrer verstand. Menschliche Schwächen und Albernheiten lagen jenseits seines Begriffsvermögens. Vor Monks geistigem Auge entstand das Bild einer endlosen Wüste des Lebens ohne Lachen und all den Nebensächlichkeiten, die dem Leben den richtigen Rhythmus geben und als Maß für die geistige Gesundheit dienen.
    Arme Merrit.
    Er schob die Hände in die Taschen. »Wie viele Waffen kauften Sie?«, fragte er beiläufig. »Die genaue Anzahl bitte.«
    »Genau?«, wiederholte Breeland und hob die Brauen.
    »Auf das Gewehr genau? Ich habe sie nicht gezählt. Dazu war keine Zeit. Ich nahm an, jede Kiste wäre voll. Alberton war ein sturer Mensch mit bürgerlichen Ansichten und keinerlei moralischem oder politischem Verständnis, aber seine finanzielle Integrität zog ich nie in Zweifel.«
    »Für wie viele Waffen haben Sie bezahlt?«
    »Für sechstausend Stück. Und ich bezahlte ihm den abgesprochenen Preis pro Gewehr.«
    »Das Geld übergaben Sie Shearer?«
    »Das sagte ich bereits.« Breeland runzelte die Stirn. »Für den Betrag könnte man an jeder beliebigen Ecke Londons mehrere Straßenzüge mit Häusern mit vier Schlafzimmern bauen. Mir scheint es ganz offensichtlich zu sein, dass Shearer Alberton hinterging, ihn und die Nachtwächter erschoss und es so aussehen ließ, als wäre es ein Soldat der Union gewesen, woraufhin er mir die Waffen verkaufte und mit dem Geld verschwand. Ich bin unschuldig, und Rathbone wird fähig sein, das zu beweisen.«
    Monk erwiderte nichts. Breeland hatte vollkommen Recht. Monk kümmerte es nicht, ob er am Galgen enden würde oder nicht… wenigstens nicht im Augenblick.

10
    Am folgenden Montag begann der Prozess gegen Lyman Breeland und Merrit Alberton, die des gemeinsamen Mordes in der Tooley Street angeklagt waren.
    Oliver Rathbone war so gut vorbereitet, wie es ihm die Informationen, über die er verfügte, erlaubten. Aus dem, was er von Monk wusste, schloss er, dass Breeland die Morde nicht selbst begangen hatte. Aber die Geschworenen davon zu überzeugen, dass Breeland die Mörder nicht angestiftet und nicht davon profitiert hatte, das zu beweisen stand auf einem ganz anderen Blatt. Auch war Rathbone sich der Tatsache bewusst, dass sein Klient nicht über einen Charakter verfügte, der ihm die Sympathie der Jury gesichert hätte.
    Noch am Freitag hatte er sowohl mit Merrit als auch mit Breeland gesprochen. Er hatte erwogen, Breeland nahe zu legen, ein versöhnlicheres Betragen, größere Bescheidenheit, ja sogar Bedauern für die Tragödie von Albertons Tod zu zeigen, doch er war zu der Auffassung gekommen, dass es ein vergeblicher Versuch sein würde und womöglich gar ein Verhaltensmuster zur Folge haben würde, das ganz offensichtlich von Falschheit geprägt war.
    Als nun im Gerichtssaal zur Ordnung gerufen wurde und die Verhandlung begann, sah Rathbone Breeland, der auf der Anklagebank saß, ins Gesicht. Es wirkte ausdruckslos, und Breeland starrte geradeaus, als ob er keinerlei Interesse an den Menschen hätte, die hier versammelt waren, und ihnen keinerlei Respekt entgegenbrächte, so

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