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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Alberton einen Besuch abzustatten. Sie war sich nicht ganz sicher, was sie sie fragen wollte oder zu erfahren hoffte, aber Judith war der einzige Mensch, der genau wusste, was mit ihrem Bruder und dessen Familie geschehen war, und Hester hatte immer noch das Gefühl, dass der Erpressungsversuch im Zentrum des Verbrechens stand, ob es nun von Shearer, Breeland oder möglicherweise gar von Trace begangen worden war, Letzteres ein Gedanke, von dem Hester aus tiefstem Herzen wünschte, er möge nicht wahr sein. Sie hatte Trace ins Herz geschlossen. Der Umstand, dass er aus dem Süden stammte und seine Landsleute die Sklavenhaltung guthießen, war ein Zufall, den Geburt und Kultur mit sich brachten. Das hatte nichts mit dem Charme des Mannes und dem Vergnügen zu tun, das sie in seiner Gesellschaft empfand. Sie spürte, dass er bereits begann, den moralischen Konflikt zu begreifen. Vielleicht war dies aber etwas, was sie nur zu glauben wünschte, aber bis sie durch Beweise gezwungen sein würde, anders zu denken, wollte sie dies als gegeben ansehen.
    Es mochte ein Zufall sein, dass die Morde und der Diebstahl so kurz nach der Erpressung erfolgt waren, bei der mit den Waffen das Schweigen erkauft werden sollte, aber das glaubte sie nicht. Es musste eine Verbindung geben. Wenn sie sie nur ausfindig machen könnte!
    Judith schien erfreut, sie zu sehen. Selbstverständlich empfing sie keine gesellschaftlichen Besuche und trug angemessene Trauerkleidung, aber sie war vollkommen gefasst, und welchen Kummer sie auch verspüren mochte, sie verbarg ihn hinter einer Maske der Würde und Herzlichkeit, was Hesters Aufgabe schwieriger machte und sie noch aufdringlicher erscheinen ließ.
    Trotzdem würde nur die Wahrheit von Nutzen sein, denn Merrits Situation war verzweifelt. Die Verhandlung war auf den Beginn der folgenden Woche festgesetzt.
    »Wie nett von Ihnen, mich zu besuchen, Mrs. Monk«, hieß Judith sie willkommen. »Bitte erzählen Sie mir, was es Neues gibt…«
    Hester hasste Lügen, aber in den vielen Jahren der Krankenpflege hatte sie gelernt, dass manches Mal, wenigstens für eine gewisse Zeit, Halbwahrheiten nötig waren. Manche Wahrheiten blieben sogar besser für immer unter Verschluss. Jetzt war die Fähigkeit wichtig, die Schlacht zu schlagen, ohne die Hoffnung ersterben zu lassen.
    »Ich habe nie geglaubt, dass Merrit etwas damit zu tun hatte«, gab sie zurück und folgte Judith in einen kleinen Raum, der sich zum Garten hin öffnete und in Grün und Weiß gehalten und zu dieser Stunde des Tages von der Morgensonne durchflutet war.
    »Doch ich fürchte, es ist unvermeidlich, dass Mr. Breeland involviert war, wenngleich vielleicht nur indirekt.«
    Judith starrte sie an, und in ihren Augen lag keine Furcht, nur Verwirrung.
    »Wenn nicht Mr. Breeland, wer dann?«
    »Es scheint sehr wahrscheinlich, dass es Mr. Shearer war. Es tut mir Leid.« Sie wusste nicht, warum sie sich entschuldigte, nur dass sie es bedauerte, Alberton könnte von einem Mann betrogen worden sein, dem er so lange und so tief vertraut hatte. Dieser Umstand würde den Schmerz noch vergrößern.
    »Shearer?«, fragte Judith. »Sind Sie sicher? Er ist ein harter Mann. Aber Daniel sagte stets, er wäre vollkommen vertrauenswürdig.«
    »Haben Sie ihn seit Mr. Albertoris Tod gesehen?«
    »Nein. Aber ich habe ihn ohnehin nur ein oder zwei Mal getroffen. Er kam kaum jemals in unser Haus.« Sie musste nicht hinzufügen, dass sie gesellschaftlich nicht auf einer Ebene standen und daher nicht miteinander verkehrten.
    »Niemand hat ihn seither zu Gesicht bekommen«, fuhr Hester fort. »Wenn er unschuldig wäre, würde er doch sicher hier sein, um zu helfen, seine Arbeit im Geschäft fortzusetzen, und jegliche Unterstützung anbieten, deren er fähig wäre? Würde er nicht ebenso bedacht darauf sein wie wir, den Verantwortlichen zu stellen?«
    »Bestimmt«, erwiderte Judith leise. »Ich nehme an, die Antwort auf unsere Fragen wird schrecklich sein, wie auch immer sie ausfallen mag. Es war töricht, zu glauben, sie würde… es würde etwas… Erträgliches sein… jemand, bei dem es einem leicht fällt, ihn zu hassen und ihn dann zu vergessen.«
    Es gab nichts, was Hester hätte sagen können, um diese Worte abzumildern. Sie wandte sich der anderen Sache zu, die es zu erforschen gab. »Mrs. Alberton, Ihr Gatte und Mr. Casbolt erhielten einen sehr hässlichen Brief, der sie aufforderte, die Waffen einer Firma zu liefern, die bekanntermaßen als Zwischenhändler

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