In den Fängen der Macht
beständigen Lärm von den letzten Traumfetzen zu trennen. Hastig setzte er sich auf. Tageslicht strömte durch die Fenster, aber es war noch schwach und voller Schatten. Der Lärm hörte nicht auf.
Hester war aufgewacht. »Wer kann das sein?«, fragte sie beunruhigt und setzte sich aufrecht ins Bett, wobei ihr Haar auf ihre Schultern fiel. »Es ist Viertel vor vier!«
Monk kletterte aus dem Bett und griff nach seinem Morgenmantel. Hastig schlüpfte er hinein und eilte zur Vordertür, wo das Klopfen noch lauter und eindringlicher klang. Er hatte sich nicht damit aufgehalten, Stiefel oder Hose anzuziehen. Wer immer das auch sein mochte, schien so verzweifelt zu sein, dass er entschlossen war, jemanden aufzuwecken, auch wenn dies eine Störung für die gesamte Nachbarschaft bedeutete.
Einen Moment lang fummelte Monk mit dem Schloss herum, dann öffnete er die Tür.
Robert Casbolt stand auf der Stufe im Dämmerlicht, sein Gesicht unrasiert, das Haar zerwühlt.
»Treten Sie ein.« Monk trat zur Seite und hielt die Tür weit auf.
Casbolt trat, ohne zu zögern, ein und begann bereits vor dem Überschreiten der Schwelle zu sprechen.
»Verzeihen Sie, dass ich Sie in meiner Verzweiflung störe, aber ich habe schreckliche Angst, dass etwas nicht wieder Gutzumachendes passiert ist.« Seine Worte sprudelten hervor, als ob er seine Zunge kaum unter Kontrolle hätte. »Judith – Mrs. Alberton schickte mir eine Depesche. Sie ist außer sich vor Sorge. Daniel verließ kurz nach Ihnen das Haus und ist nicht wieder zurückgekehrt. Sie sagte, Breeland sei gestern Abend bei ihnen gewesen, äußerst zornig… ja, er hätte fast bedrohlich gewirkt. Sie ist panisch vor Angst, dass… es tut mir Leid.« Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, als ob er seinen Blick klären und sich beruhigen wollte. »Und was noch schlimmer ist, auch Merrit ist verschwunden.« Aus vor Schreck geweiteten Augen sah er Monk an. »Nach dem Streit mit ihrem Vater schien sie geradewegs hinauf in ihr Zimmer gegangen zu sein. Judith nahm an, sie würde dort bleiben und sich bis zum Morgen nicht mehr unten zeigen.«
Monk unterbrach ihn nicht.
»Aber als sie aus Sorge um Daniel nicht schlafen konnte«, fuhr Casbolt fort, »ging sie in Merrits Zimmer – und entdeckte, dass sie fort war. Sie war im ganzen Haus nicht zu finden, woraufhin ihr Kammermädchen nachsah und entdeckte, dass eine Tasche und einige ihrer Kleidungsstücke fehlten… ein Kostüm und mindestens zwei Blusen. Ebenso ihre Haarbürste und Kämme. Um Himmels willen, Monk, helfen Sie mir, sie zu suchen, bitte!«
Monk versuchte, seine Gedanken zu sammeln und einen klaren Plan zu fassen, was als Erstes zu tun war. Casbolt schien am Rande der Hysterie zu sein. Seine Stimme war unstet und sein Körper so angespannt, dass sich seine Hände abwechselnd zur Faust ballten und lösten, als sei Bewegungslosigkeit unerträglich.
»Hat Mrs. Alberton die Polizei alarmiert?«, fragte Monk. Casbolt schüttelte den Kopf.
»Nein. Das war das Erste, was ich vorschlug, aber sie fürchtete, Merrit könnte zu Breeland gegangen sein und das Einschalten der Polizei würde einen Skandal auslösen, der das Kind ruinieren würde. Sie…« Er holte tief Luft.
»Ehrlich gesagt, Monk, sie befürchtet, Breeland könnte Daniel etwas angetan haben. Offenbar war er schrecklich in Rage, als er das Haus verließ, und sagte, dass er auf die eine oder andere Weise doch noch gewinnen würde.«
»Das ist wahr«, bestätigte Monk. »Ich war dabei, als er dies äußerte.« Mit Schaudern erinnerte er sich an die Leidenschaft in Breelands Stimme. Es war das Feuer des Künstlers, das aus dem Nichts eine großartige Vision für die Welt kreiert, des Forschungsreisenden, der sich in die Ungewissheit wagt und den Weg für geringere Menschen ebnet, des Erfinders, des Denkers, des Märtyrers, der lieber stirbt, als das Licht verleugnet, das ihm erschienen war… und des Fanatikers, der jegliche Tat durch die Sache, der er sich verschrieben hat, gerechtfertigt sieht.
Casbolt hatte durchaus Grund, vor Breeland Angst zu haben. Ebenso Judith Alberton.
»Ja, natürlich komme ich mit Ihnen«, antwortete Monk.
»Ich werde mich rasch ankleiden und meine Frau informieren. Ich brauche nur fünf Minuten, vielleicht sogar weniger.«
»Ich danke Ihnen! Ich danke Ihnen von Herzen!« Monk nickte und eilte zurück in das Schlafzimmer. Hester saß mit einem Schal um die Schulter aufrecht im Bett.
»Wer ist es?«, fragte sie, noch bevor er die
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