In den Fängen der Macht
Tür geschlossen hatte.
»Casbolt«, antwortete er, schlüpfte aus dem Morgenmantel und zog ein Hemd an. »Alberton ging kurz nachdem ich ihn verlassen hatte, aus dem Haus und kehrte nicht zurück, und Merrit ist ebenfalls verschwunden. Es sieht so aus, als wäre sie Breeland gefolgt. Törichtes Kind!«
»Kann ich helfen?«
»Aber nein! Danke dir!« Mit ungeschickten, hastigen Bewegungen knöpfte er sein Hemd zu, dann griff er nach seiner Hose.
»Sei vorsichtig, was du zu ihr sagst«, warnte Hester.
Es wäre ihm ein Vergnügen gewesen, Merrit über das Knie zu legen und zu verhauen, bis sie dankbar gewesen wäre, eine Woche lang nur von der Kamineinfassung zu speisen. Sein Wunsch musste sich auf seinem Gesicht gezeigt haben, denn Hester stand auf und kam auf ihn zu.
»William, sie ist jung und voller Ideale. Je härter du sie anpackst, desto sturer wird sie sich verhalten. Wenn du mit ihr streitest, wird sie das Letzte tun, wonach ihr eigentlich der Sinn steht, nur um nicht dabei ertappt zu werden, nachgiebig zu sein. Erbitte ihre Hilfe, ihr Verständnis, erwirb ihr Erbarmen, dann wird sie auch vernünftig sein.«
»Woher weißt du das?«
»Weil ich auch einmal sechzehn Jahre alt war«, sagte sie mit einer Spur Koketterie.
Er grinste. »Und verliebt?«
»Das liegt in der Natur der Sache.«
»War er auch Waffenkäufer einer ausländischen Armee?« Er schlüpfte in seinen Mantel. Zum Rasieren war keine Zeit.
»Nein, tatsächlich war er Vikar«, erwiderte sie.
»Ein Vikar? Du warst in einen Vikar verliebt?«
»Ich war sechzehn!« Auf ihren Wangen breitete sich ein warmer Farbton aus.
Er lächelte und küsste sie schnell, spürte, wie sie fast augenblicklich den Kuss erwiderte.
»Sei vorsichtig«, flüsterte sie. »Breeland könnte…«
»Ich weiß.« Bevor sie noch etwas hinzufügen konnte, trat er durch die Tür und ging zu Casbolt, der ungeduldig an der Haustür stand.
Casbolts Equipage wartete draußen auf der Straße. Casbolt sprang noch vor Monk hinein und schrie den Fahrer an, der zusammengesunken auf dem Kutschkasten saß. Die sommerliche Morgendämmerung war nicht kalt, aber zu kühl zum Warten, und der Mann war schließlich mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen worden.
Die Kutsche fuhr mit einem Ruck an und erreichte nach wenigen Augenblicken eine gute Geschwindigkeit. Es war erst vierzehn Minuten her, dass Casbolt Monks Träume unterbrochen hatte.
»Wo fahren wir hin?«, fragte Monk, während sie über das Kopfsteinpflaster holperten und gegeneinander geworfen wurden, als sie um eine Straßenecke preschten.
»Zu Breelands Unterkunft«, gab Casbolt atemlos zur Antwort. »Ich wäre fast schon ohne Sie hingefahren, aber mit dem Umweg durch eine oder zwei Straßen konnte ich Sie abholen und mitnehmen. Ich ahne nicht, was wir dort vorfinden werden. Möglich, dass mehr als einer von uns beiden vonnöten sein wird, und so kam ich zu der Auffassung, dass es vielleicht gut sein würde, Sie bei einem Kampf an meiner Seite zu haben, wenn es denn dazu kommen sollte. Gott allein weiß, was in Merrits Kopf vorgeht. Sie muss völlig den Verstand verloren haben! Sie kennt den Mann doch kaum! Er…«
Er schnappte nach Luft, als sie erneut aneinander prallten, während die Kutsche in die andere Richtung schlitterte und er dieses Mal fast auf Monk gefallen wäre.
»Er könnte alles Mögliche sein!«, fuhr er fort. »Der Mann ist ein Fanatiker, bereit, für sein verdammtes Anliegen alles und jeden zu opfern! Er ist verrückter als irgendeiner unserer eigenen Soldaten, und Gott weiß, die sind toll genug!« Seine Stimme hob sich und nahm einen hysterischen Unterton an. »Sehen Sie sich doch ihr Theater auf der Krim an! Sie zahlten jeden Preis, um ein Held zu sein, um die Siegerehre zu erringen – Blut und Leichen, wohin man sah, und wofür? Für Ruhm, ein Ideal … für Medaillen und eine Fußnote in der Geschichtsschreibung.«
Sie holperten über einen von Bäumen gesäumten Platz, die sie kurz in Dunkelheit tauchten.
»Verdammt sei Breeland mitsamt seinen idiotischen Idealen!«, rief Casbolt mit neuerlich aufflammendem Zorn. »Es steht ihm nicht zu, einem sechzehnjährigen Mädchen zu predigen, das der Meinung ist, alle Menschen seien so edelmütig und von solcher Geradlinigkeit wie sie selbst.« In seiner Stimme lag eine erschreckende Gehässigkeit, eine solch tiefe Leidenschaft, die sich seiner Kontrolle entzog und schier greifbar in der Luft lag, während sie im heller werdenden Licht durch die
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