In den Fängen der Macht
darüber, was vor ihnen lag, ließ nur einen unruhigen Schlaf zu.
Am frühen Sonntagmorgen, kurz vor der Dämmerung, passierten sie Marschkolonnen. Monk erschrak zutiefst, als er die schwitzenden stolpernden Körper sah, einige mit ausgemergeltem Gesicht und jetzt schon um Atem ringend, da die Luft bereits heiß und voller winziger Fliegen war.
Manche Männer warfen sogar ihre Decken und Rucksäcke fort, so dass der Straßenrand von weggeworfenen Ausrüstungsgegenständen übersät war. Später, als der Himmel im Osten blasser wurde und sie sich dem kleinen Fluss näherten, der Bull Run genannt wurde, stolperten oder sanken erschöpfte Männer zu Boden, manche legten sich einfach hin, um wieder ein wenig Kraft zu schöpfen, bevor sie zusammengerufen werden würden, um sich ihre Waffen umzuhängen und dem Feind entgegenzutreten. Viele von ihnen hatten Stiefel und Socken ausgezogen, und ihre Füße waren wund gerieben und bluteten. Monk hatte mindestens einen Offizier gehört, der versucht hatte, das Tempo der Männer zu drosseln, doch sie wurden fortwährend von den hinter ihnen marschierenden Männern bedrängt und hatten keine andere Wahl, als in Bewegung zu bleiben. Er konnte das Verhängnis, das sich über ihnen ebenso unvermeidlich wie die Hitze des folgenden Tages zusammenbraute, bereits erahnen.
Monk fuhr zusammen, als er den scharfen Widerhall einer Kanone hörte, die drei Salven abfeuerte. Er vermutete, dass die Kanone auf der Flussseite stand, auf der er sich befand, und auf die andere Seite hinüberzielte, in die Nähe einer wunderschönen Steinbrücke mit zwei Bögen, die wichtigste Straße über den Bull Run. Es war das Zeichen für den Beginn der Schlacht.
Er sah Trace an, der neben ihm zusammengesunken im Sattel hing; seine Beine waren von Staub bedeckt, und über die Flanken seines Pferdes rann der Schweiß. Dies würde die erste Feldschlacht zwischen der Union und den Konföderierten sein. Nun herrschte unwiderruflich Krieg.
Monk forschte in Trace’ Gesichtszügen, aber er entdeckte keine Wut, keinen Hass, keine Erregung, lediglich eine emotionale Erschöpfung und ein Gefühl, dass es ihm irgendwie nicht gelungen war, den entscheidenden Umstand zu begreifen, der all dies hätte verhindern können. Doch nun war es zu spät.
Wieder versuchte Monk sich vorzustellen, wie er sich fühlen würde, wenn das hier England wäre, wenn diese sanften Hügel und Täler, die von dickichtartigen Wäldern bewachsen und von kleineren Ansiedlungen gesprenkelt waren, die älteren und grüneren Hügelketten wären, mit denen er vertraut war. Im Geiste sah er Northumberland vor sich, die weiten Flächen der kargen Hochmoore, die im späten Sommer von Heidekraut bedeckt waren, die Wolken, die der Wind vor sich herjagte, die Bauernhäuser, die sich in die Auen schmiegten, die Steinwälle, die die Felder voneinander trennten, Steinbrücken wie jene, die sich über den Fluss unter ihnen spannte, die lange Küstenlinie und das helle Meer.
Wäre es sein eigenes Land, das mit sich selbst im Krieg läge, es würde ihn so sehr schmerzen, dass die Wunde nie mehr heilen würde.
Hinter ihnen marschierten weitere Männer heran und nahmen Aufstellung, fertig zum Angriff. Planwagen und Karren standen herum, die zu Ambulanzen umgestaltet worden waren. Sie waren an Zelten mit spitzen Dächern vorübergekommen, die als Feldlazarette dienen würden, an Männern und Frauen mit bleichen Gesichtern, die versuchten, alles zu bedenken, was noch getan werden konnte, um den Verwundeten zu helfen. Für Monk wirkte das alles wie eine Farce. Sollten diese Zehntausende von Männern tatsächlich darauf warten, sich gegenseitig abzuschlachten, Männer, die vom selben Blut abstammten, dieselbe Sprache sprachen, die der Wildnis das Land abgerungen hatten, das denselben Idealen verpflichtet war?
Die Spannung wurde immer größer. Männer liefen planlos umher, wie sie es getan hatten, seit um zwei Uhr nachts der Weckruf ertönt war. Doch in der Dunkelheit war es nur wenigen gelungen, sich zusammenzuscharen, Waffen und Ausrüstung zu holen und sich ordentlich aufzustellen.
In quälender Ungewissheit wartete Hester, seit sie aus der Ferne das Kanonenfeuer vernommen hatte. Merrit sah fortwährend auf die Tür der Kirche, in der sie die ersten Verwundeten erwarteten. Neun Uhr war vorüber. Einige wenige Männer wurden gebracht, einige mussten getragen, andere lediglich gestützt werden. Einem Soldaten schnitt der Feldarzt eine Kugel aus der Schulter,
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