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In den Fängen der Macht

In den Fängen der Macht

Titel: In den Fängen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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während sich die untergehende Sonne über das gekräuselte Wasser ergoss und feurige Farben über das Blau schüttete. »Worte oder Gesten sind nicht immer vonnöten.«
    »Unsinn!« Dieses Argument ließ sie nicht gelten. Sie blinzelte, um sich vor dem gleißenden Licht zu schützen, und schaute auf das Meer hinaus. »Natürlich sind sie das nicht. Aber ein Blick… eine Berührung, irgendetwas ist doch nötig! Im Moment teilt Merrit seinen Schmerz und liebt ihn verzweifelt. Aber was ist mit ihren Schmerzen? Es ist ihr Vater, der tot ist, nicht seiner! Sie ist kein Soldat, William, genauso wenig wie du einer bist.«
    Ihr Blick war zärtlich, ihre Augen suchten in den seinen nach einer Wunde, die sie heilen konnte. »Vielleicht hat er keine Albträume wegen der Schlacht, Sudley Church und den Männern, denen wir nicht mehr helfen konnten… aber sie hat welche!«
    Ihre Lippen waren weich. »Ebenso wie ich. Vielleicht muss das auch so sein. Aber wir brauchen jemanden, an dem wir uns festhalten können.«
    »Ist es nicht möglich, dass er ihr bereits alles gesagt hat, dessen er fähig ist?«, sagte er, trat einen Schritt näher und legte den Arm um sie.
    In dem wundervollen Licht überzog sich ihr Gesicht ganz plötzlich mit Zorn und ihre Augen wurden groß. »Sie wird vor Einsamkeit sterben… wenn sie erst einmal realisiert, dass er ihr nichts von sich geben wird. Er wird immer an erster Stelle die Union lieben, weil das einfacher ist. Diese Liebe fordert nichts.«
    »O doch, sie fordert alles!«, protestierte er. »Seine Zeit, seine Karriere, ja sogar sein Leben!«
    Sie sah ihn ruhig an. »Aber nicht sein Lachen oder seine Geduld, seine Großherzigkeit, sich selbst für eine Weile zu vergessen«, erklärte sie. »Oder an etwas zu denken, was ihn vielleicht nicht sonderlich interessieren mag. Die Union wird ihn niemals bitten, zuzuhören, anstatt zu sprechen, seine Meinung zu ändern, obwohl er dazu noch nicht bereit ist, etwas langsamer zu gehen oder einige seiner Urteile zu überdenken, jemandem anderen zuzugestehen, der Held zu sein, ohne daraus gleich eine große Sache zu machen.«
    Er wusste, was sie meinte.
    »Er wird immer nach seinen eigenen Maßstäben handeln«, schloss sie. Es klang wie ein Fluch.
    »Bist du sicher, dass er Alberton ermordete?«, fragte Monk sie.
    Sie nahm sich mehrere Minuten Zeit, bevor sie antwortete. Der Himmel wurde dunkler, und die Farben auf dem Wasser hatten nicht mehr dieselbe Glut. Die Tiefe des Himmels war nun wie ein indigofarbener Schatten, endlos und so wunderschön, dass seine Kurzlebigkeit sie traurig machte. Es tat nichts zur Sache, dass es auch morgen Abend wieder eine Dämmerung geben würde, übermorgen und jeden weiteren Abend. Und bald würde Hester sie nicht mehr über dem Meer erleben, sondern über den Dächern der Stadt.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie schließlich. »Keine andere Antwort ergibt einen Sinn… aber ich bin mir nicht sicher.«
    Das Schiff legte in Bristol an. Monk ging als Erster von Bord und überließ die anderen Trace’ Obhut. Er ging geradewegs zur nächsten Polizeistation und sagte, wer er war und in welcher Beziehung er bezüglich der Morde in der Tooley Street zu Lanyon stand, einem Verbrechen, über das in den Zeitungen ausführlich berichtet worden war. Er erklärte ihnen, Breeland zurückgebracht zu haben, ebenso Merrit Alberton, und er schlug vor, sie per Eisenbahn nach London bringen zu lassen.
    Die Polizei war beeindruckt, und man bot an, ihm einen Constable zur Unterstützung mitzugeben, um sicherzustellen, dass die Gefangenen während der Reise nicht fliehen würden. Monk bemerkte den Gebrauch des Plurals mit einem Anflug von Kummer, aber er war nicht überrascht.
    »Ich danke Ihnen«, sagte er und nickte. Er ließ es nicht gerne zu, dass eine weitere Person hinzugezogen wurde – es beraubte ihn seiner Eigenständigkeit –, doch er musste offizielle Hilfe in Anspruch nehmen, denn es wäre idiotisch gewesen, zu riskieren, all das aufs Spiel zu setzen, was sie erreicht hatten, nur wegen seines Stolzes, selbst Entscheidungen zu treffen, die vermutlich nicht den kleinsten Unterschied ausmachen würden.
    Wie es sich herausstellte, verlief die Reise ereignislos. Die Polizei in Bristol hatte nach London telegrafiert, so dass Lanyon sie am Bahnhof erwartete. Als Monk die Menschenmengen sah, war er erleichtert. Es hätte sich als äußerst schwierig erweisen können, Breeland ohne Hilfe an einer Flucht zu hindern. Hätten er oder Trace

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