In den Fesseln der Liebe: Roman (German Edition)
irgendeiner unwichtigen gesellschaftlichen Regel.« Ihre Stimme brach, weil sie leise sprechen musste und nicht schreien konnte. Sie holte tief Luft, dann fuhr sie fort: »Und was dein Angebot betrifft – nun ja, du könntest genauso gut behaupten, dass ich wegen einer Maus heiraten muss!«
Ein Stallknecht kam mit den Braunen auf sie zu. Demon nickte, dann übernahm er die Zügel. Er kletterte auf den Wagen, setzte sich und sah auf sie hinunter.
»Ich kann nicht verstehen, warum du mir nicht dankbar bist«, meinte sie mit beißender Stimme. »Du weißt sehr wohl, dass du mich überhaupt nicht heiraten willst.«
Er schaute sie an. Sein Gesicht war ausdruckslos, als sei es aus Stein gemeißelt, seine Augen hart wie blaue Diamanten. Er hielt ihrem herausfordernden Blick stand, doch dann holte er tief Luft.
»Du hast überhaupt keine Ahnung«, murmelte er, und seine Stimme klang überdeutlich, »was ich will.«
Er schlug leicht mit den Zügeln, und die Braunen liefen los. In großem Bogen fuhr er aus dem Stallhof und dann den Weg entlang.
8
»Ich habe mich gefragt, ob du wohl gern ausfahren würdest.«
Flick keuchte auf, sie wirbelte herum, und die große Vase, die sie in der Hand hielt, glitt ihr aus den Fingern …
Demon streckte die Hand aus und hielt die Vase fest; ihre Finger berührten sich.
Flick zitterte. Sie entzog ihm die Hände, sodass schließlich er die Vase in der Hand hielt. Sie stand im Sonnenlicht, das durch die Fenster der Galerie fiel, und starrte ihn an, unzusammenhängende Sätze lagen ihr auf der Zunge. Sie wollte ihn wütend anfahren, weil er sich heimlich an sie herangeschlichen hatte – schon wieder. Sie wollte ihn böse ansehen oder wenigstens mit gerunzelter Stirn, denn sie hatte ihm sein Benehmen vom gestrigen Tag noch nicht verziehen.
Und sie wollte ihn fragen, was er mit seiner Bemerkung zum Abschied gestern gemeint hatte. »Eine Ausfahrt?« Noch immer drehte sich alles in ihrem Kopf.
Er zuckte mit den Schultern. Die Lider hatte er gesenkt, sodass sie nichts in seinen Augen lesen konnte. »Nur ein wenig herumfahren, eine halbe Stunde oder so.«
Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Vierundzwanzig Stunden waren vergangen, seit er sie verlassen hatte – vierundzwanzig Stunden, in denen sie an wenig anderes gedacht hatte als an ihn. Sie wandte sich zum Fenster und sah hinaus in einen weiteren herrlichen Frühlingstag. Und wieder fühlte sie dieses Gefühl der Wärme auf ihrem Rücken, an das sie sich schon beinahe gewöhnt hatte.
»Der Wind ist warm. Du brauchst nicht einmal einen Mantel.«
Und das war auch besser so. Sie besaß nämlich gar keinen Mantel, der zu diesem Kleid gepasst hätte – ein Kleid aus weißem Musselin, bestickt mit winzigen goldenen und roten Gänseblümchen. Flick nickte entschlossen. »Eine Ausfahrt wäre nett.«
Sie wandte sich zu ihm um – er hielt noch immer die Vase in der Hand.
»Wo soll ich die hinstellen?«
Sie deutete zur anderen Seite des Raumes. »Wenn du sie dort hinten auf den Tisch stellen würdest, dann hole ich meinen Sonnenschirm, und wir treffen uns in der Eingangshalle.«
Sie wartete gar nicht erst, bis er nickte, sondern lief in ihr Zimmer – mit schnellen Schritten und leichtem Herzen, auch wenn sie es bis jetzt vermieden hatte, ihn anzusehen. Sie mussten diesen dummen kleinen Zwischenfall vergessen – und eine Ausfahrt wäre ein guter Beginn.
Ein guter Beginn, dessen war sie sich nicht länger sicher, als Demon seine Braunen auf den Weg zum Herrenhaus lenkte. Sie hatte sich vorgestellt, dass sie ganz einfach wieder zu ihrer früheren, unkomplizierten Freundschaft zurückkehren würden – sie hatte erwartet, nachdem die erste, unvermeidliche Verlegenheit überwunden war, wieder das neckende Aufblitzen seiner blauen Augen zu sehen, wie schon so oft in der Vergangenheit.
Doch stattdessen …
Sie hielt ihren Sonnenschirm ein wenig schräg und beobachtete sein Gesicht, während er den Wagen den Weg entlanglenkte. Schatten von den Bäumen am Wegesrand huschten über sein Gesicht, aber auch sie ließen die kräftigen Konturen seiner Nase und seines Kinns nicht sanfter erscheinen. Er hatte ein kantiges Gesicht, hohe Wangenknochen, eine breite Stirn und große Augen. Es war ein hartes Gesicht.
Sie hatte ihn eigentlich noch nie so eingehend betrachtet. Es war das Gesicht eines Mannes, den sie zu kennen geglaubt hatte. Doch dessen war sie sich jetzt nicht länger sicher.
Sie rückte ihren Sonnenschirm wieder gerade
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