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In den Fesseln des Wikingers

In den Fesseln des Wikingers

Titel: In den Fesseln des Wikingers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McFadden
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gehorchte.
    Der Bach schlängelte sich am Fuß des Hügels entlang, sein Bett war breit und sandig, flache Steine lagen am Ufer, von Moos und breiten Baumwurzeln halb überwachsen. Das Wasser floss träge dahin, kein einziger Stein hinderte seinen Lauf, und als Rodena am Ufer niederkniete, vernahm sie nichts als ein leises Gluckern. Sironas Stimme schwieg.
    Beklommen blickte sie über die Oberfläche des klaren Gewässers, musterte eine lange Baumwurzel, die weit in den Bachlauf hineinreichte und wollte sich schon enttäuscht erheben, um zum Lager zurückzugehen. Da riss die Wolkendecke über ihr auf, und sie erblickte im Morgenlicht ihr eigenes Bild auf dem ruhigen Wasser.
    War es das, was ihre Göttin ihr hatte zeigen wollen? Nun, das war nichts Besonderes, sie hatte sich schon oft im Wasser gespiegelt und wusste, dass sie nicht hässlich war. Das schwarze Haar fiel dicht und schwer um ihre Schultern und war leider ungekämmt, und da sie sich nach vorn neigte, hingen einige Strähnen fast bis auf die Wasseroberfläche hinab. Deutlich zeichnete sich die geschwungene Form der Augenbrauen auf der hellen Gesichtshaut ab, ihre Augen waren tiefblau und schienen zu leuchten. Sie befeuchtete die Lippen mit der Zunge, dann lockte sie das klare Wasser, und sie streckte die Hand aus, um ein wenig davon zu schöpfen und zu trinken.
    In diesem Augenblick begann das Bild zu schwanken. Ihr Spiegelbild verzog sich, das schwarze Haar bildete seltsame Buckel, die helle Haut schmolz zusammen, die Nase zog sich in die Länge und vereinigte sich mit ihren Lippen. Eine schmale Schnauze entstand, spitze Ohren ragten aus dem Kopf des Wesens, und aus Hell und Dunkel formte sich der behaarte Kopf eines Wolfes. Sie schrie auf vor Entsetzen und schlug mit der Hand auf die Wasseroberfläche, um die Erscheinung zu vertreiben, doch das Bild wollte nicht verschwinden, es starrte sie mit leuchtenden, blauen Augen an, die zwar schräg in seinem Wolfsgesicht standen, ansonsten aber ganz und gar die Farbe ihrer eigenen Augen hatten.
    Ein Fischlein streifte die Oberfläche, um nach Luft zu schnappen, und kleine Kreise bildeten sich. Wölfe hatten braune oder gelbe Augen, niemals waren sie blau. Es war ein Trugbild , entstammte einem jener erschreckenden Träume, die die Göttin ihr eingab.
    Der Wolf hatte ihre Augen. Sie hatte die Augen des Wolfs. Tief in ihrem Inneren ahnte sie plötzlich das Unfassliche. Wilhelm Langschwert trug das Bild eines Wolfes auf seinem Schild – er war der Wolf, den sie in ihrem Traum gesehen hatte, er war es, der ihr jetzt aus dem Wasser entgegenstarrte.
    Kira! Nur Kira konnte dieses Rätsel für sie lösen!
    Sie erhob sich und schüttelte das feuchte Gewand. Ihr Herz klopfte heftig, denn sie würde ohne Abschied gehen müssen. Niemals würde Thore mit dem einverstanden sein, was sie jetzt unternahm.
    Die Wikinger bauten ohne Unterlass an ihrer Festung, die Schläge ihrer Äxte dröhnten durch den Wald, Bäume stürzten ächzend, Männer brüllten sich Warnungen und Anweisungen zu. Niemand achtete auf sie.
    Sie wählte den Weg durch den Wald, denn am Meer würde man sie rasch entdecken. Hastig schritt sie aus, spähte immer wieder vorsichtig zurück, denn irgendwann würde man ihre Abwesenheit bemerken und nach ihr suchen. Hin und wieder öffnete sich die Wolkendecke, und die Sonne kam durch, dann fielen ihre schrägen Strahlen bis auf den Waldboden hinab, ließen Moos und Laub aufleuchten, und sie musste sich im Schatten der dicken Stämme bewegen, um unentdeckt zu bleiben.
    Sie erschrak zu Tode, als sie ein Rudel Rehe aufstöberte, das in einer Senke geruht hatte und angstvoll die Flucht ergriff, als sie so unerwartet auftauchte. Für einen Augenblick schien der Wald in Aufruhr, Zweige knackten, Laub raschelte, Vögel schrien – dann trat wieder Stille ein, nur ihr Herz hämmerte laut, und sie hörte ihren aufgeregten Atem.
    Gegen Mittag, als sie schon glaubte, entkommen zu sein, hörte sie einen Ruf in der Ferne, der sie erbeben ließ.
    „Rodena!“
    Es war seine Stimme. Thore hatte sich aufgemacht, um sie zu finden, er war ein Jäger und hatte ihre Spur im feuchten Laub deuten können. Es war zwecklos, vor ihm davonzulaufen, er war in jedem Fall schneller als sie und würde sie bald eingeholt haben.
    Da plötzlich versank ihr Fuß tief im Boden, sie verlor das Gleichgewicht und stürzte in die Tiefe. Es war ein sanfter Fall, denn sie landete auf einer Schicht aus trockenem Laub und dürren Zweigen, um sie herum war

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