In den Fesseln des Wikingers
hat.“
„Richtig“, gab sie zurück. „Und Alain hat ihn besiegt. Du solltest nicht allzu leichtsinnig werden, Wikinger. Denn die Herren der Bretagne wissen sich gegen Eindringlinge wie dich zu wehren.“
„Ein Wikinger fürchtet weder Kampf noch Tod“, gab er zurück. „Was ich will, ist nicht das Land, sondern seine Schätze. Und die werde ich mir holen, ganz gleich von wem.“
„Da wünsche ich dir Glück“, sagte sie spöttisch.
„Zu diesem Glück wirst du mir verhelfen, Hexe!“ Er fasste sie fest am Arm und zog sie näher zu sich heran, ohne auf ihre zornige Gegenwehr zu achten. „Ich will eine Weissagung, wie diese Reise für uns ausgehen wird! Hast du das gehört?“, zischte er ihr ins Ohr. „Und ich will sie bald!“
Sie spürte, wie seine Hand den zerrissenen Stoff beiseite schob, sich auf ihre bloße Schulter legte und dann weiter hinabglitt, um ihre Brust zu umfassen, und sie stieß empört mit den Füßen nach ihm. Doch seine angespannten Waden waren so eisenhart, dass sie meinte, gegen einen hölzernen Stamm zu treten.
Die Ruderer hatten dem ungleichen Kampf mit genüsslichem Grinsen zugesehen, doch plötzlich erklang ein lauter Ruf, und Thore ließ augenblicklich von ihr ab.
Eine Reisegruppe hatte an einer seichten Uferstelle gelagert, man sah einige hoch beladene Ochsenwagen, deren Ladung mit Häuten und Fellen bedeckt war. Unruhe war im Lager ausgebrochen, die wenigen Männer am Ufer hatten sich bewaffnet und hinter den Wagen Deckung genommen, eine Frau kletterte rasch unter eine der Häute, um sich vor den Männern in den Drachenbooten zu verbergen.
„Anlanden!“, befahl Thore. „Das Segel runter!“
Was dann geschah, erschien Rodena wie einer ihrer schlimmen Träume. Erstaunlich rasch steuerten die Wikinger ihre Boote zum Ufer hinüber, und während die meisten kampfesdurstig durch das seichte Wasser zum Ufer stürzten, kümmerten sich andere darum, das Schiff zu vertäuen, damit die Strömung es nicht davonzog. Lautes Kampfgebrüll erfüllte die stille Flussniederung, Waffen trafen klirrend aufeinander, Ochsen brüllten, Peitschen knallten, und dazwischen drangen die gellenden Hilferufe der Frau in Rodenas entsetzten Ohren. Wie ein Wespenschwarm waren die Wikinger über die wenigen Menschen hereingebrochen, nun, da auch die Besatzungen der übrigen beiden Boote sich an dem Überfall beteiligten, erblickte Rodena am Ufer nur noch ein buntes Gewimmel aus brüllenden Männern in halblangen Hosen und bunten Kitteln, blitzenden Schwertern und Beilen, braunen Ochsenleibern, stürzenden Karren, aufgerissenen Bündeln und zerbrochenen Amphoren. Nur hie und da war kurz ein am Boden kniender Händler zu sehen, der die Räuber um Gnade für sein Leben anflehte.
Es ist widerlich, dachte sie. Wie ich sie alle dafür hasse. Wenn die Göttin gerecht ist, dann wird sie diese Räuber bestrafen.
Die Wikinger hielten sich nicht damit auf, die flüchtenden Händler zu verfolgen; nur wer sich widersetzte, wurde unbarmherzig niedergemacht. Danach schleppten sie die Warenbündel auf ihre Schiffe, um sie sorgfältig unter den Häuten mittschiffs zu vertäuen, sie verschmähten auch die Vorräte nicht und ebenso wenig die Frau, die bei den Händlern gewesen war.
Sie war blond und sehr jung, in ihren starren, weit aufgerissenen Augen lag namenloser Schrecken, als man sie an Deck schleppte. Man band ihr die Hände und Füße zusammen, denn Thore hatte den Befehl gegeben, die Fahrt fortzusetzen. Die Männer waren damit zufrieden – man würde sich am Abend im Lager bei Wein und einem leckeren Mahl über sie hermachen. Und dieses Mal – da waren sich alle einig – würde sich keiner zum Beschützer aufschwingen, denn das Mädchen schien eine Sklavin zu sein.
Rodena blickte mitleidig auf das gefesselte Mädchen, das in der Mitte des Bootes am Boden lag, als Thore zurückkehrte, um den Platz neben der Druidin wieder einzunehmen.
„Wo also ist das Kloster“, beharrte er. „Es kann nicht mehr weit sein.“
„Ich habe keine Ahnung“, gab sie wütend zurück. Nichts würde sie ihm mehr erzählen. Selbst wenn sie wüsste, dass Alain Schiefbart mit seinem Heer dort hinten im Wald auf diese Räuber wartete – sie würde Thore, den Wikinger, und alle seine Männer ins Messer laufen lassen.
„Dann werde ich jetzt die Kleine befragen. Vielleicht kann sie mir mehr erzählen!“
Er wollte sich erheben, doch in einem plötzlichen Entschluss fasste Rodena seine Hand und hielt ihn zurück. „Lass
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