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In den Fesseln des Wikingers

In den Fesseln des Wikingers

Titel: In den Fesseln des Wikingers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan McFadden
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erstaunlich freundlich. „Ich muss dir zugestehen, dass du kein Feigling bist, Thore Eishammer. Du hast zwei meiner Schiffe angegriffen und dadurch deinen Kameraden den Rücken freigehalten, so dass sie aus meiner Falle entwischen konnten. Ich weiß mutige Männer zu schätzen!“
    Thores Züge blieben unbeweglich, denn er ließ sich von Alains Geschwätz nicht täuschen. Doch seine grauen Augen glitten über die Umstehenden, als suche er jemanden.
    „Ich werde dir deshalb das Leben schenken“, verkündete Alain mit lauter Stimme.
    Bewegung entstand unter den Leuten, denn diese überraschende Wendung hatte niemand erwartet. Selbst die gefangenen Wikinger sahen sich voller Verblüffung an, allein Thore zeigte keine einzige Regung. Nur seine Augen irrten weiter zwischen den Menschen hin und her, bis sie schließlich gefunden hatten, wonach sie suchten.
    Rodena musste sich an die Hauswand lehnen, denn der Blick des Wikingers traf sie wie ein Blitz und ließ sie bis ins Innerste erzittern. Ach, sie wünschte sich, weit fort zu sein in diesem Moment, denn sie konnte nichts, aber auch gar nichts tun, um sein Elend zu mildern.
    „Er soll freikommen?“, rief jemand in der Menge. „Dieser Räuber, der mein Hab und Gut genommen hat?“
    „Dieser Heide, der sich an den Abendmahlsgeräten des Klosters bereichert und die Mönche geprügelt hat?“
    „Er muss bestraft werden!“
    „Wenn wir den freilassen, kommt er morgen zurück und fällt über die Burg her!“
    Alain tat, als müsse er über die erbosten Rufe nachdenken – in Wirklichkeit hatte er diese Proteste erwartet und mit ihnen gerechnet.
    „Du hörst, dass meine Milde von meinen eigenen Leuten mit großem Unmut aufgenommen wird“, sagte er grinsend. „Daher erwarte ich von dir, dass du dir meine Nachsicht verdienst. Knie vor mir nieder, Thore Eishammer, und gelobe, mein Vasall zu werden und den christlichen Glauben anzunehmen. Dann werde ich dich mit einem Stück Land belohnen.“
    Thores Augen hingen immer noch an Rodena, schienen sich an ihr festzusaugen, als sei ihre Gegenwart das Einzige, das in diesem Moment für ihn von Bedeutung war.
    „Niemals werde ich vor dir knien, Alain mit dem schiefen Bart“, sagte er mit kräftiger, tiefer Stimme.
    „Dann wirst du einen langsamen, qualvollen Tod erleiden, Wikinger!“
    „Darauf bin ich gefasst, König Ziegenbart.“
    Alains Züge verzerrten sich vor Ärger, denn einige seiner Leute grinsten bei dem Namen, den Thore sich für seinen Gegner ausdacht hatte.
    „Fangt an“, rief er zweien seiner Knechte zu, die neben dem Feuer standen. „Wir werden ja hören, ob er gleich noch den Mut hat, sein freches Maul aufzureißen.“
    Die Menschen drängten sich enger zusammen, denn niemand wollte dieses Schauspiel verpassen, und Rodena verlor den Blickkontakt zu Thore. Sie wusste ja, dass man ihn nun foltern würde, sie hatte das glühende Eisen vor seiner nackten Brust gesehen – und die Bilder in ihrem Traum hatten sie vor Grauen erzittern lassen.
    Niemand konnte das Schicksal aufhalten. Weshalb war sie mit dieser verfluchten Sehergabe geplagt, die sie dazu verurteilte, alle Schrecknisse gleich doppelt zu erleben? Einmal in ihren Wahrträumen und dann, entsetzlicher noch, in der Wirklichkeit.
    Sie vernahm das aufgeregte Murmeln der Menschen und fühlte, wie die Beine unter ihr zitterten. Papia umfasste sie mit beiden Armen und zog sie in das Häuschen hinein, die alte Frau reichte ihr einen Krug mit Wasser, aus dem sie gierig einige Schlucke nahm.
    Sie konnte ihm nicht helfen!
    Draußen wurden Rufe laut, die Leute zischten und grölten, einige lachten, eine Frau mit einem kleinen Mädchen an der Hand lief eilig davon, so dass das Kind fast über eines der herumirrenden Schweinchen gefallen wäre.
    „Er hat keine Miene verzogen. An dem wird Alain sich die Zähne ausbeißen!“
    ***
    Rodena war auf die Bank gesunken und hielt die Hände auf die Ohren gepresst, doch das Stöhnen der Gefolterten und die schrillen Rufe der Frauen drangen unbarmherzig zu ihr hindurch. Erst als die Alte die Tür des Häuschens zuschlug, wurde der Lärm ein wenig gedämpft, doch das Grauen über das entsetzliche Geschehen milderte sich nicht. Vornübergeneigt hockte Rodena auf der hölzernen Bank, spürte am ganzen Körper eisige Starre und sah unablässig die grauen Augen des Wikingers vor sich. Es war ein Blick gewesen, der ihr durch Mark und Bein drang, ein wortloser Abschied und zugleich eine eindringliche Botschaft. Hatte er ihr

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