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In den Klauen des Bösen

In den Klauen des Bösen

Titel: In den Klauen des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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schien die Vorgänge in ihrer Umgebung gar nicht wahrzunehmen; erst als Barbara zu ihr trat, erwachte sie aus ihrem Träumen. »Danke fürs Kommen«, sagte sie leise und stand auf. »Sie hatten ja so recht - ich glaube, ich wäre wirklich durchgedreht, wenn ich allein hier geblieben wäre.« Ihre Augen füllten sich von neuem mit Tränen. »Ich habe solche Angst, Barbara. Ich habe schreckliche Angst.«
    Barbara legte ihr den Arm um die Schulter. »Es wird alles gut«, versprach sie. »Man wird Kelly finden.« Beim Zuhören der Männer schwand ihre Zuversicht allerdings.
    »Wenn sie nicht weit gekommen ist, haben wir eine Chance«, sagte Billy-Joe Hawkins. »Aber ich weiß nicht - das Herumwandern dort ist schon bei Tageslicht gefährlich, wenn man sieht, wo man geht. In der Nacht...« Es gab zustimmendes Murmeln.
    Dann war es soweit: Ted Anderson begleitete Tim Kitteridge im Polizeiwagen zu der Stelle, wo Kelly ins Moor gelaufen war; die übrigen fuhren mit ihren Booten zur Fußbrücke, um von dort in die Dunkelheit auszuschwärmen. Barbara hatte allerdings das deutliche Gefühl, dass die wenigen Männer, die aus beruflichen Gründen oder aus Entdeckerfreude mit dem Moor vertraut waren, keinen großen Optimismus ausstrahlten.
    Sie waren sich der Gefahren der sumpfigen Wildnis nur zu bewusst.
     
    Im Spiegel sah Judd Duval die tiefen Falten seines Gesichts und den Zerfall der Haut um den Mund. Gottseidank war er geistig auf dem Quivive gewesen, als vor wenigen Minuten Kitteridge angerufen hatte. Wenn Kitteridge ihn in diesem Zustand sähe...
    Doch Judd hatte die Situation blitzschnell erfasst und gleich einen Ausweg gefunden. »Ich zieh sofort los«, hatte er gesagt. »Sie kann nicht weit gekomm’ sein, und in den Bayous kenn’ ich mich aus. Mit’n bißchen Glück bring ich sie Euch zurück, bevor Ihr überhaupt startklar seid.«
    Er hatte gar nicht die Absicht, in dieser Nacht ins Moor hinauszufahren; ihn durfte einfach niemand zu Gesicht bekommen, bis er sich von Dr. Phillips auf irgendeine Weise eine weitere Spritze verschafft hatte. Anstatt sich beim Verlassen seiner Hütte auf die Suche nach Kelly zu machen, ruderte er also nur hundert Meter, um das Boot vorsichtig in einem Schilf-und Mangrovendickicht zu verstecken. Bei Tageslicht könnte es dort möglicherweise von einem Vorbeifahrenden bemerkt werden; im Dunkel war es völlig unsichtbar.
    Er stapfte durch seichtes Wasser und Schlamm zur Hütte zurück.
    Und fühlte plötzlich wieder Blicke auf sich ruhen.
    Er spürte Panik aufkommen, drängte sie zurück und blieb stehen, um im Dunkeln nach dem Bösen in seiner Nähe Ausschau zu halten.
    Nichts.
    Das steigerte seine Angst nur.
    Er versuchte zu laufen, doch der Schlamm des Bodens hing sich an die Stiefel, und seine bereits geschwächten Muskeln erlahmten.
    Nein! sagte er sich. Hier is’ nix! Absolut nix!
    Aber er glaubte den eigenen Worten nicht, und als er seine Hütte schließlich erreichte, war er durch Angst und Anstrengung total erschöpft. Er ließ sich in seinen Sessel fallen. Er hatte Atembeschwerden. Er fürchtete, sein Herz könne stillstehen.
    Langsam wurde er dann jedoch wieder kräftiger. Er zwang sich aufzustehen. Er schaltete alle Lampen aus und den Fernseher ab.
    Das Haus musste leer und unbewohnt wirken für den Fall, dass Kitteridge oder sonst jemand in die Umgebung käme.
    Im Dunkeln zog er seine schmutzigen Sachen aus und saubere Kleidung an.
    Das Warten begann.
    Hier im Finstern allein zu sitzen war für ihn fast schlimmer als allein im Moor zu sein, weil er sich nicht einmal traute, zur Unterhaltung das Radio anzustellen.
    Er begann das Zeitgefühl zu verlieren. Minuten dehnten sich zu Ewigkeiten. Er rechnete schon mit dem Anbruch der Dämmerung.
    An den Fenstern glaubte er, Gesichter zu sehen - Kindergesichter, die Jonas Cox und ihn aus toten, leeren Augen anschauten.
    Als er leises Tuckern von Außenbordmotoren vernahm, wollte er die Tür aufreißen und den Näherkommenden zurufen. Doch im Finstern blickte ihm das entsetzliche Bild seines eigenen, alternden Gesichts entgegen; er widerstand dem Impuls und kauerte im Dunkeln, bis das Murmeln der Motoren verebbte und die Lichter der Boote in der Nacht untergingen.
    Judd rührte sich. Er überlegte den nächsten Schritt.
    Und dann kam ihm der Einfall - die Vorbeifahrenden hatten seine unbeleuchtete Hütte gesehen, das Fehlen seines Boots bemerkt und gefolgert, dass er im Moor unterwegs war. Und sie würden für die nächsten Stunden,

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