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In den Klauen des Löwen

In den Klauen des Löwen

Titel: In den Klauen des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Plötzlich stehe ich auf dem Hügel und jodle. Diesen Rufe kennen sie. Sie werden es nicht glauben … aber ich bin da! Corinna ist da! Und Mama wird sicherlich weinen; das hat sie nicht verlernt trotz fünfzig Jahren Siedlerdaseins.
    »Warum halten wir?« rief sie und wollte die Straße weiter hinauflaufen. Malanga hielt sie am Arm fest.
    »Ich muß Ihnen etwas sagen.« Seine Stimme hatte allen Wohlklang verloren.
    »Nicht jetzt! Nachher! Unten im Haus! Wir sind da. Wir sind endlich da! Und alles ist wie früher.«
    Malanga senkte den Kopf. »Kommen Sie«, sagte er heiser. »Ich begleite Sie.«
    Sie gingen die paar Meter bis zum Rand des Kessels und standen dann oben. Vor ihnen lag ein weites, kraterähnliches Tal, grün, fruchtbar, ein Park mit gepflegten Bäumen, mit Gärten und Wiesen, ein Tal, wie es auch in Bayern sein konnte oder im Schwarzwald oder irgendwo am Rhein.
    In diesen Gärten lag die Farm der Sanders.
    Das langgestreckte Bungalow-Herrenhaus.
    Die Scheunen und Werkstätten.
    Die Ställe und Vorratshäuser.
    Der Getreidesilo.
    Vier lange, strohgedeckte Häuser für die farbigen Vorarbeiter.
    Ein Paradies …
    Ein schreckliches Paradies.
    Corinna starrte hinunter und hatte den stützenden Arm Malangas umklammert. Ihre Fingernägel gruben sich in sein Fleisch.
    Wo alles das, was die Sanders-Farm darstellte, sein sollte, ragte jetzt ein Gewirr verbrannter und zerfetzter Balken und Hausteile in den Himmel. Der Silo war umgestürzt und gesprengt, das Herrenhaus eine flache, verkohlte Ruine, die Scheunen, Ställe, Schuppen nur noch aufgerissene Ruinen, über denen der Brandgeruch lag, als sei er in die verkohlten Balken gefressen.
    »Unsere Farm …«, stammelte Corinna. »Unsere Farm … Vater … Mama … Nein! Nein! Nein!«
    Sie riß sich los von Malanga, warf die Arme gegen den Himmel und rannte schreiend den Weg hinunter zu den stinkenden Trümmern.
    Sie hatten die Gräber zugeschaufelt, die Erde festgetreten und dann mehrere Schichten dicker Steine, die Malanga in der Senke zusammensuchte, darübergelegt, damit die Hyänen die Toten nicht wieder aus dem Boden kratzten. Nun standen sie stumm, mit gefalteten Händen, vor den beiden Hügeln und beteten. Corinna hatte den Kopf tief gesenkt, Malanga sah sie aus den Augenwinkeln an. Sie weinte nicht. Ihr Gesicht war unbewegt, nur die Lippen zitterten leicht. Sie sprachen das unhörbare Gebet.
    Die vergangenen Stunden waren schrecklich gewesen.
    Wie eine Wahnsinnige war Corinna durch die Brandtrümmer gerannt. Ihre sich überschlagende Stimme gellte durch die Totenstille. »Vater!« hatte sie geschrien. »Mama! Gisela … Robert …« Immer und immer wieder. Sie hatte sich in die verkohlte Ruine des Bungalows gestürzt, ehe Malanga sie daran hindern konnte. Er war ihr langsam gefolgt, mit hängenden Armen, und sein Herz blutete, als er Corinna so schreien hörte. Aber helfen konnte er nicht mehr. Was bedeuten hier noch Worte? Wie kann es hier Trost geben? Vor allem: Was sollte man sagen, wenn man so etwas erwartet hatte? Wenn man wußte, wer die Mörder waren? Wenn man ihre Namen nennen konnte?
    Malanga setzte sich auf einen zerborstenen Flachwagen und starrte über die sinnlose Zerstörung. Zum erstenmal verstand er seine Landsleute nicht mehr. Das war nicht nötig, sagte er sich. Man kann ein großes Ziel auch ohne Morden erreichen. Aber wer kann es ihnen so sagen, daß sie es auch glauben? Wer kann einem Menschen, der nur den Busch kennt, der an Geister der Verstorbenen glaubt und an Stimmen, die aus der Erde dringen, an Götter, die in der Sonne regieren und an Dämonen, die im Wasser sitzen – wer kann es ihm erklären, daß das Leben nicht nur aus Geburt und Tod besteht und dazwischen nicht nur der mitleidlose Kampf um das nackte Dasein ist?
    Das war Nabu Budumba, der Medizinmann. Aus dem Götterschatz vergangener Jahrhunderte hatte er ein neues Regiment über den Stamm aufgebaut. Er verschwieg, daß er in Nairobi drei Jahre als Taxifahrer gearbeitet hatte und nebenbei einen Kursus für Amateurzauberei besucht hatte. Er konnte Geldmünzen aus den Nasen ziehen, Wasser in eine Zeitung gießen und verschwinden lassen. Ein Kaninchen aus seinem Zylinder zaubern und eine Taube köpfen, den Kopf dann mit der Taube zusammen in ein Tuch wickeln, das Tuch hochwerfen – und die Taube fliegt unversehrt mit Kopf davon. Das alles hatte er in Nairobi gelernt, und er war ein fleißiger Schüler gewesen, der nach drei Jahren alle Tricks beherrschte und seinen

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