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In den Klauen des Löwen

In den Klauen des Löwen

Titel: In den Klauen des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hatte in sechs Jahren begriffen, welche Möglichkeiten es gab, Krankheiten zu besiegen. Er hatte operiert und geheilt, Gliedmaßen amputiert, Bäuche aufgeschnitten, auf lebende, bloßgelegte Herzen geblickt, Nieren herausgenommen und krebsige Brüste weggeschnitten. Er hatte gelernt, zu helfen, den Menschen zu retten vor den unzähligen Gefahren der Krankheiten, und es hatte ihm Spaß gemacht, hatte ihn mit Stolz erfüllt, als Sohn der Bwamba-Bantus nun ein großer mganga (Arzt) zu sein. Er hatte Liberalismus und Pazifismus kennengelernt, er hatte in der Masse seiner Kommilitonen gegen den Krieg mitdemonstriert, gegen die Atombombe, gegen die Aufrüstung; vor ein paar Wochen noch, als Stationsarzt in London. Er hatte es aus voller Überzeugung getan, aus dem heiligen Wunsch nach Frieden auf der Welt … und nun saß er inmitten von Brand und Leichen, und es war sein Stamm gewesen, der diese sinnlose Vernichtung über das Land trug.
    »Es sind so viele Fragen, Miß Sander«, sagte er ausweichend. »Wir wollen zuerst die Toten begraben.«
    Ein paar Stunden waren sie dann beschäftigt, die Gräber auszuheben, Steine zu sammeln und die Leichen von Gerald und Erna Sander in ein paar alte Kaffeesäcke zu schieben, die man unter den Trümmern des Lagerhauses fand. Malanga übernahm diese letzte Arbeit allein. Mit starrem Gesicht zog er die Säcke über die stinkenden, glitschigen, verwesten Körper von Corinnas Eltern und legte sie dann auf ein Brett, das er an einem Tau hinter sich herzog bis zu den Gräbern, wo Corinna wartete. Sie hatte sich auf den Spatenstiel gestützt und sah mit leeren Augen über die Verwüstung. Alle Trauer war aus ihrem Gesicht gewichen. Sie sah älter, entschlossener und in ihrem Willen zur Rache noch hübscher aus als zuvor.
    Wortlos griff sie zu, als Malanga mit seinem Brett an den Gräbern stand; gemeinsam schoben sie die Säcke in die Grube und schaufelten sie dann zu.
    »Ich werde ein großes Kreuz zimmern«, sagte Malanga leise, als Corinna die Hände faltete. »Ein Kreuz aus den verkohlten Balken. Es soll ein Mahnmal werden.«
    »Gegen wen? Ich brauche kein Denkmal. Was ich heute gesehen habe, ist in mir eingebrannt.« Corinna wandte sich ab, warf den Spaten weg und begann, mit ihren Stiefeln den Boden über der Grube glattzustampfen.
    »Soll ich Sie wieder zurückbringen nach Kampala?« fragte Malanga. Er schichtete die Steine auf das Grab Gerald Sanders.
    »Zurück? Nein! Ich bleibe.«
    Malanga ließ die Steine, die er gerade in den Händen hielt, fallen.
    »Was wollen Sie?«
    »Hierbleiben! Ich baue die Farm wieder auf. Ich werde mir Freunde herüberholen, das Land aufteilen und ein Dorf gründen! Ein weißes Dorf mitten im schwarzen Afrika! Jetzt gerade, Malanga! Man wollte uns vernichten … das Gegenteil wird der Fall sein: Hier wird neues Leben entstehen. Ich werde Siedler aus Deutschland kommen lassen, ich werde ihnen das Land schenken. Und wenn ganz Toro aus schwarzen Teufeln bestehen sollte – hier bei Kitumba wird das Dorf ›Neu-Sander‹ entstehen. Ich wollte in dieses Land zurückkommen als Ärztin. Ich wollte helfen, die Seuchen zu besiegen, die Kindersterblichkeit aufzuhalten, die Bantu-Dörfer zu hygienisieren. Jetzt wird alles anders sein. Ich werde kämpfen.«
    »Sie allein?«
    »Ich werde viele Freunde haben.«
    »Man wird Sie zerhacken wie Ihre Eltern.«
    »Glauben Sie?« Corinnas Kopf flog herum. Ihre Augen blitzten. Malanga hob erschrocken die Schulter. So viel Haß hatte er noch nie in einem Augenpaar gesehen. »Ich werde jeden Neger, der sich der Grenze von ›Neu-Sander‹ nähert, ohne Anruf erschießen lassen. Rund um das Dorf herum werde ich große Schilder aufstellen und nachts bescheinen lassen: Off limits for Blacks!«
    »Sie sind wahnsinnig, Miß Sander«, sagte Malanga tonlos. »Ihr Haß übersteigt alle Maße.«
    »Und das hier? Übersteigt das nicht auch alle Maße?« Sie machte wieder eine weite, alles umfassende Armbewegung. »Wer das gesehen hat, lernt verachten und rächen!«
    »Ich habe in der Missionsschule und auch später immer wieder gelernt: Liebet eure Feinde. Das ist ein schwerer Satz, ich weiß. Es ist vielleicht der schwerste Satz im ganzen Christentum. Aber je mehr man in ihn eindringt, um so mehr bekommt er Sinn. Man sollte seine Feinde erst einmal verstehen lernen …«
    »Verstehen?« Corinna bückte sich und wälzte die schweren Steine über das Grab ihrer Eltern. »Hier gibt es kein Verstehen mehr. Oder können Sie mir sagen,

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