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In den Klauen des Löwen

In den Klauen des Löwen

Titel: In den Klauen des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Corinna sah er vier Beine … ein Paar in blutbefleckten Hosen, das andere Paar weiß, unbekleidet. Frauenbeine.
    »Vater …«, stammelte sie, als sie Malanga sah. »Und Mutter … Man hat sie … hat sie … zerhackt …«
    Malanga schwieg. Er bückte sich, faßte Corinna unter die Achseln und zog sie vom Boden hoch. Er umarmte sie und drückte sie an sich und empfand ihren Schmerz mit.
    »Kommen Sie«, sagte er und zog Corinna von den furchtbar aussehenden Leichen weg. Die Zerstörung der Farm mußte schon vor drei Wochen geschehen sein. Die Körper von Gerald und Erna Sander waren bereits stark verwest. Termiten, Käfer und Raupen wimmelten um die zerfließenden Körper, ein Anblick, der selbst Malanga Übelkeit in die Kehle trieb.
    »Warum hat man das getan?« stammelte Corinna immer wieder. »Warum? Vater war überall beliebt, die Bantus waren seine Freunde, die Landarbeiter nannten ihn Papa! Er hat nie einen Arbeiter geschlagen, er hat die besten Löhne bezahlt. Sogar ein Hospital hat er für sie eingerichtet … Und nun ist alles verbrannt, zerstört, getötet … Warum?«
    Malanga schwieg. Es war die Frage, die er sich selbst auch gestellt hatte und die er nur beantworten konnte mit: »Wir müssen Nabu Budumba fragen …« Was sollte Corinna mit einer solchen Antwort anfangen?
    Er zog sie aus dem Bungalow und überblickte das große Feld der Verwüstung. Kein Gebäude stand mehr, selbst die Unterkünfte der Landarbeiter hatte man verbrannt. Von den Arbeitern war niemand mehr hier; entweder waren sie geflüchtet oder mit den Bwambas mitgezogen – oder sie lagen, zerhackt wie ihre weißen Herren, zwischen den Ruinen ihrer Häuser. Malanga schauderte es, zu den anderen Gebäuden zu gehen.
    Wie sehr ich doch schon ein Europäer geworden bin, dachte er. Die Grausamkeit, eine der Urgewalten Afrikas, erschüttert mich. Ich werde als ein Fremder zu meinem Stamm zurückkommen; was vorher nur eine Ahnung war, ist jetzt Gewißheit: Ich komme aus einer anderen Welt, und sie ist besser als meine alte Welt.
    »Wir müssen Gisela und Robert suchen«, sagte Corinna und machte sich aus Malangas stützenden Armen los.
    »Wer sind Gisela und Robert?«
    »Meine Geschwister. Sie müssen auch hier irgendwo liegen … O mein Gott, ich kann es nicht begreifen …«
    Drei Stunden suchten sie in den Trümmern, schoben verkohlte Balken zur Seite, wühlten sich durch Geröllhaufen und zerschlagene Möbel. Sie fanden die beiden deutschen Schäferhunde Tobi und Rex; man hatte ihnen die Kehlen durchgeschnitten. In den verbrannten Resten der Arbeiterbaracken lagen neun Leichen. Es waren die Vorarbeiter, die zu Sander gehalten und sich mit Gewehren verteidigt hatten. Als ihre Häuser brannten, hatten sie den Widerstand aufgegeben. Vor den Türen wurden sie hingerichtet; neunzehn Speerstiche zählte Malanga allein in einem Körper. Dann waren die Trümmer der zusammenstürzenden Häuser über die Toten geprasselt.
    »Nichts!« sagte Malanga, als sie müde und verdreckt, mit Ruß beschmiert und mit zerfetzten Kleidern auf einem Steinhaufen saßen und sich ausruhten. »Ihre Geschwister sind nicht mehr hier, Miß Sander.«
    »Aber sie müssen hier sein!« Sie sprang auf. »Wir wollen weitersuchen.«
    »Ich befürchte«, sagte er mit dunkler Stimme, »man hat sie lebend mitgenommen. Als Geiseln.«
    »Um Gottes willen!« Corinna schlug beide Hände vor die Augen. »Was wird man mit ihnen machen?«
    »Nichts. Man wird sie pflegen. Nur wenn es für den Stamm kritisch wird, wird man sie wie ein Schutzschild vor sich herschieben. Sie werden eine Handelsware werden: Geiseln gegen Straffreiheit. Gelingt der Handel nicht, wird man sie ebenfalls töten.«
    »Ihr Land ist ein fürchterliches Land!« sagte Corinna schwer atmend. »Ich hasse es! Ich hasse es!«
    »Es ist auch Ihre Heimat, Miß Sander. Sie wurden hier geboren. Sie sind eine Afrikanerin.«
    »Nein! Nie!« Corinna sprang auf. Mit einer wilden Bewegung schleuderte sie beide Arme durch die Luft. »Ich könnte dieses Land vernichten ohne einen Funken Reue.«
    »Also auch mich?«
    »Sie können nichts dafür.«
    »Aber ich bin ein Neger.«
    »Sie sind Arzt, Malanga. Sie haben in Europa studiert. Sie gehören nicht zu dieser Klasse Wilden, die noch immer mordet, für die der Mensch nichts wert ist. Sie haben gelernt, was Humanität ist …«
    Malanga sah schweigend über die Trümmerwüste. Er spürte, wie recht Corinna hatte, und er wehrte sich dagegen. Zugegeben: Er hatte Latein gelernt, er

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