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In den Klauen des Löwen

In den Klauen des Löwen

Titel: In den Klauen des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hinfahren«, sagte sie.
    Der Ministerialrat drehte sich schnell zu ihr um. Sein schwarzes Gesicht schien noch mehr zu glänzen, als sei es mit blankem Schweiß eingerieben.
    »Ich möchte Ihnen empfehlen, Miß Sander, das nicht zu tun«, sagte er langsam. »Die Straßen sind ab Katoke und Muntembe gesperrt. Sie würden Schwierigkeiten bekommen.«
    »Also ist doch etwas passiert!« rief Corinna erregt.
    »Ein Unwetter, ich sagte es schon.«
    »Wegen eines Unwetters sperrt man nicht ein Gebiet so groß wie das Rheinland!«
    »Ich kenne das Rheinland nicht.« Der Ministerialrat lächelte geschmeidig. »Aber ich habe einen Freund in unserer Botschaft in Bad Godesberg.«
    »Ich möchte zu meinen Eltern.« Corinna setzte sich auf einen der ledernen Sessel. »Ich bin hier geboren, ich bin Bürgerin dieses Landes. Ich habe also auch ein Recht, die Wahrheit zu wissen! Was ist in Kitumba geschehen?«
    »Nichts von Bedeutung. Drei Naturereignisse trafen aufeinander. Zuerst ein großer Regen, der alles in einen Sumpf verwandelte, dann eine große Hitze, die die schlammige Erde austrocknete und reißen ließ, und am Ende ein Steppenbrand, der noch immer nicht unter Kontrolle ist. Hunderttausend Tiere sind auf der Flucht. Es herrscht eine Panik in diesem Gebiet. Wir haben die Armee hingeschickt zur Hilfe. Die Herden jagen blindlings in alle Himmelsrichtungen. Sie können jetzt nicht in dieses Gebiet.«
    »Und die Farm?«
    »Wir haben noch keine Nachricht, Miß.«
    Corinnas Augen wurden weit. Die Angst ließ sie zittern. »Sagen Sie die Wahrheit!« sagte sie leise. »Bitte, bitte … Ist … ist die Farm verbrannt? Leben meine Eltern und Geschwister noch? Warum sagen Sie denn nichts?«
    »Ich weiß es nicht, Miß.« Das schwarze, glänzende Gesicht war jetzt wie eine Maske aus poliertem Ebenholz. Der runde, wollhaarige Schädel mit den flinken Augen und den aufgeworfenen, roten Lippen bewegte sich kaum. »Ich kann Sie nur bitten, in Ihrem Hotel zu warten, bis die Straßensperren aufgehoben sind. Wo wohnen Sie?«
    »Im Apolo.«
    »Da läßt es sich doch zauberhaft wohnen, Miß.« Ein schwaches Lächeln glitt über den Ebenholzkopf. »Ich benachrichtige Sie sofort, wenn ich etwas erfahre. Wir stehen ja in ständigem Funkverkehr mit den Truppen, die das Feuer einzudämmen versuchen. Kwa heri ya kuonana.« (Auf Wiedersehen)
    Mit zitternden Beinen verließ Corinna das Gebäude des Innenministeriums. Im Schatten des Einganges blieb sie stehen und lehnte sich an die Wand. Er lügt, dachte sie. Er lügt perfekt, aber überzeugen kann er mich nicht. Seit über fünfzig Jahren hat es keine solchen Unwetter bei Kitumba gegeben, wie er sie geschildert hat. Ein Buschbrand, ja, aber er war schnell unter Kontrolle gebracht. Die Arbeiter und Feuerwehren der großen Farmen löschten ihn schon, bevor er sich über große Gebiete ausbreiten konnte. In den Trockenzeiten gab es extra Brandbeobachter. In den riesigen Affenbrotbäumen und Schirmakazien bauten sich die Neger ihre Ausgucke, schwankende Sitze oben in den Kronen, den Geiern gleich. Dort hockten sie Tag und Nacht, bis wieder der Regen kam. Sahen sie in der Ferne eine Rauchwolke, gaben sie Alarm. Dann zog alles, was laufen konnte, dem Brand entgegen. Es ging um das eigene Leben; um das Land, das sie ernährte; um die Herden, deren Fleisch sie brauchten.
    Und jetzt sollte ein Gebiet wie das Rheinland brennen? Zuerst Regen, dann Trockenheit, dann Brand? Das konnte man jemandem erzählen, der Afrika aus den Büchern oder als Tourist kannte, aber keinem, der dort geboren und aufgewachsen war, der die Savanne kannte und die Ufer des Albert-Sees; der als Kind, das eben laufen konnte, schon im Landrover mitgenommen wurde auf die Löwenjagd und zwölfmal in seinem Leben einen Heuschreckenschwarm erlebt hatte, der die halbe Pflanzung kahlfraß.
    »Er hat gelogen!« sagte Corinna laut, wie um sich zu bestätigen, was sie fühlte. »In Kitumba ist etwas anderes geschehen.«
    Und die Angst kam wieder. Die Angst vor etwas, das nicht zu erklären war.
    Am Nachmittag saß Corinna Sander im Zimmer des deutschen Botschaftsrates Dr. Herbertz. Sie hatte ihre Sorgen vorgetragen, und Dr. Herbertz war ehrlich bemüht, ein wenig Licht in die Dunkelheit zu bringen, die plötzlich am Albert-See aufgezogen war. Aber auch er scheiterte an der Schweigsamkeit und den Ausflüchten der Regierungsstellen von Uganda. Mit einem Achselzucken legte er den Telefonhörer zurück, nachdem er über zehn verschiedene Stellen

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