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In den Klauen des Löwen

In den Klauen des Löwen

Titel: In den Klauen des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Malanga so schnell nicht einholen würden. Der Vorsprung war jetzt nur noch einzuholen, wenn Harris tatsächlich Tag und Nacht durchfuhr. Das war eine verrückte Aufgabe, denn nur wer bei 40 Grad Sonnenglut durch die Steppe gefahren ist, kann ermessen, was es heißt, ununterbrochen zu fahren, Stunde um Stunde in dem schaukelnden Jeep, hüpfend über den unebenen Boden, vor sich das Gras niederwalzend, über sich den glühenden Feuerball der Sonne. Der Körper trocknet aus, die Schleimhäute werden zu Leder, vor den Augen beginnt die Steppe zu tanzen, die Bäume und Sträucher werden zu gespenstischen Gebilden, die Tierherden zu schwankenden Schatten.
    Am Nachmittag war Harris so weit, daß er anhielt, seinen Kopf in eine Schüssel mit Wasser tauchte, sich wusch und das Wasser trank wie ein Büffel in der Suhle. Seine beiden Bantus schienen frisch zu sein. Sie aßen Fladen aus Hirsemehl und machten eine Büchse Fleisch auf, das sie kalt herunterschlangen. Harris kochte für sich Tee, drehte Hartwurst und Brot Bissen für Bissen zwanzigmal im Mund herum, bis er es herunterschluckte, und legte sich dann in den Wagen, um eine Stunde auszuruhen.
    »Weckt mich, wenn es dunkel wird«, sagte er zu den Bantus. »Und dann fahre ich die Nacht hindurch, und wenn es in der Steppe von euren Geistern wimmelt!«
    Die beiden Vorarbeiter nickten artig und setzten sich neben dem Wagen in den Schatten.
    Als es zu dunkeln begann, sahen sie auf den schnarchenden Harris und schienen beide das gleiche zu denken. Zugegeben, der Bwana Harris war ein starker, wilder Mann. Er war einmal Major bei den Engländern gewesen, er kannte das Land, und wenn er etwas wollte, dann gab es keine Widerrede. Aber auf der anderen Seite war der große Arzt Malanga, der große Führer der Bwambas, der mit einem ganzen Stamm in die Mondberge zog, um ein neues Königreich zu gründen. Wog man beides gegeneinander auf, dann sah es schlecht aus um Mike Harris. Denn in den Mondbergen war auch ein britischer Ex-Major wehrlos: In den Mondbergen war der Sitz der Götter, war die Quelle des Zaubers.
    Die Vorarbeiter handelten schnell und mit Zartgefühl.
    Sie ergriffen Harris an den Beinen und unter den Achseln, hoben ihn aus dem Jeep und legten ihn auf eine Decke, die sie auf die Erde gebreitet hatten. Harris grunzte laut, aber schlief weiter. Dann packten sie neben dem Schlafenden einige Dosen und Beutel auf die Decke, legten das Gewehr und genug Munition hinzu, schoben den Jeep ein Stück weiter über die Piste und zündeten den Motor erst, als sie sicher waren, daß Harris davon nicht aufschreckte. Dann rasten sie in die Dämmerung hinein, um so viel Land wie möglich zwischen sich und Mike Harris zu bringen.
    Sie fuhren nicht wieder zurück zur Farm, dieser Weg war ihnen nun für alle Zeiten verschlossen. Sie wandten sich der Bergwand am Horizont zu, den Mondbergen, wo der große Arzt hin wollte, den Harris bis in den Tod haßte.
    Mike Harris erwachte, weil er fror.
    Mit einem Satz sprang er auf und sah, daß der Jeep und seine zwei Vorarbeiter weg waren. Allein stand er in der Steppe, mit einer Decke, einem Gewehr und ein paar Büchsen Verpflegung. Ein Kanister mit Wasser lehnte einsam an einem Busch.
    Für Harris ging ein Teil der Welt unter. Bis zu dieser Stunde hatte er fest auf seine beiden Vorarbeiter gebaut. Er hatte sie für die treuesten Menschen gehalten. Sie hatten an seiner Seite den Sturm der Bwambas abgeschlagen, als die Truppen Budumbas von der Sander-Farm herüberkamen, sie hatten von Kind an bei ihm gedient, sie waren in den Arbeiterhütten seiner Farm geboren worden. Daß sie ihn verraten könnten, war ein unmöglicher Gedanke gewesen, der Harris nie kam. Nun brach dieser Glaube an Treue zusammen.
    Sie hatten ihn allein in der Steppe gelassen. Sie waren mit dem Jeep davongefahren.
    Was ist ein Mann allein und zu Fuß in diesem Land?
    Die Landschaft verschlingt ihn, und er wird zu einem Käfer, dessen Welt zusammenschrumpft zu einer Unendlichkeit aus zerrissenem Boden und bizarren, tausendfachen Hindernissen, die man überkriechen muß. Und darüber brennt glühend die Sonne; schutzlos ist man ihr ausgeliefert und spürt, wie diese gleißende Helle das Blut kochen läßt und alle Flüssigkeit aus dem Gehirn zieht.
    Was nutzt schon ein Gewehr?
    Plötzlich kann man einem Leoparden gegenüberstehen, einem Elefantenbullen, einem Wasserbüffel, einem Nashorn. Man sieht den Tod, aber die Sonne hat alle Kraft aus einem herausgesaugt. Die Arme sind wie

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