In Den Schatten Lauert Der Tod -1-
schluck sie runter!«
Seans barscher Tonfall ließ Connor stutzen. Sein jüngerer Bruder blickte aufs Wasser hinaus. Ein Muskel zuckte an seinem scharf gemeißelten, frisch rasierten Kinn.
Für einen kurzen Moment bekam er eine Ahnung davon, wie sehr Sean sich um ihn sorgte, und ein glühender Schmerz fuhr ihm in die Brust. Er verdrängte ihn, indem er sich die übel riechende Tablette in den Mund steckte und sie mit einem Schluck Kaffee runterwürgte. »Mann. Ich hab jetzt sicher gelbe Schmierspuren in meiner Speiseröhre.«
»Du wirst es überleben«, stellte Sean ungerührt fest.
Sie tranken wortlos ihren Kaffee. Das angespannte, bedeutungsschwangere Schweigen war mehr, als Connor zu dieser frühen Morgenstunde ertragen konnte. Er musste sie irgendwie auf eine Ebene albernen Geplänkels hieven, damit sie beide wieder Luft bekamen.
»Also, diese, äh … Julia. Ist das die Aerobic-Lehrerin mit den Schenkeln wie Schraubstöcke?«
Sean stürzte sich mit offenkundiger Erleichterung auf das neue Thema. »Quatsch, nein! Das war Jill. Kelsey, Rose und Caroline hast du verpasst.«
»Ah, schon klar. Nun, wie ist dann diese Julia?«
Sean blickte gequält drein. »Blonde Locken, große blaue Augen, acht Zentimeter hohe Absätze. Ich habe sie vor ein paar Wochen in einem Club kennengelernt. Für eine Weile war es ganz lustig, bis sie plötzlich aus heiterem Himmel zu diesem riesigen, blutsaugenden Insekt mutiert ist.«
Connor verzog das Gesicht. »Scheiße! Ich hasse es, wenn das passiert.«
»Frag mich mal. Die ganze Nacht vor meiner Wohnung rumzuhängen. Brrr . Das ist echt gruslig. Bestimmt wird sie als Nächstes meinen Hasen kochen.«
Connor gab einen mitfühlenden Laut von sich. »Klingt übel.«
Mit einem Tritt von Davys in schweren Stiefeln steckenden Füßen flog die Fliegentür auf. Er stellte zwei Teller vor Connor auf den Tisch: dicke Scheiben gegrillter Schinken, ein ganzer Berg Rührei mit geschmolzenem Cheddar-Käse, vier Scheiben buttertriefender Toast, eine Ladung frisch in Stücke geschnittene Ananas sowie Honig- und Cantaloupe-Melone, die ein üppiger Klecks Hüttenkäse krönte.
Connor blinzelte. »Wow. Aber … wo bleiben meine Damastserviette und die Schüssel Zitronenwasser zum Händewaschen?«
Davy zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. »Du brauchst nun mal Proteine.«
Das ließ sich nicht bestreiten. Connor spachtelte das Frühstück rein, ohne sein entzücktes Publikum zu beachten. Wenige Minuten später schob er zwei blitzblanke Teller von sich weg. »Jetzt schieß los«, sagte er. »Was ist mit diesem Claude Mueller?«
Davy schlug eine Aktenmappe voller Computerausdrucke auf. »Da gibt es nicht so viel, wie ich bei einem derart vermögenden Mann erwartet hätte«, begann er. »1961 in Brüssel geboren. Mutter Belgierin, Vater ein Schweizer Großindustrieller. Unermesslich reich. Claude war ein kränkliches Kind, er leidet an irgendeiner seltsamen Form von Hämophilie, die inzwischen mehr oder minder unter Kontrolle ist. Ein zurückgezogen lebender Einzelgänger. Er studierte von 1980 bis 1983 Kunst und Architektur an der Sorbonne, dann hängte er das Studium wegen seiner schlechten körperlichen Verfassung an den Nagel. 1989 kamen seine Eltern bei einem Autounfall ums Leben. Claude war der Alleinerbe eines Vermögens von rund einer halben Milliarde.«
Connor verschluckte sich an seinem Kaffee und wischte sich über den Mund. »Großer Gott«, ächzte er. »Schwer, sich so viel Geld auch nur auszumalen.«
Sean bedachte ihn mit einem hinterhältigen Grinsen. »Meine Vorstellungskraft ist offenbar dehnbarer als deine.«
»Der arme Claude wurde durch den Tod seiner Eltern völlig traumatisiert«, fuhr Davy fort. »Er zog sich auf eine winzige Insel in Südfrankreich zurück. Hat nie geheiratet, keine Kinder. Das Einzige, wofür er sich interessiert, sind antike Kunstobjekte. Er besitzt eine ganze Sammlung mittelalterlicher Reliquien und Waffen, Artefakte aus der Zeit der Wikinger und Angelsachsen, und natürlich keltisches Zeug. Er hat eine ziemlich große Internetpräsenz. Verbringt eine Menge Zeit in Chatrooms und in Foren für Kunstgeschichte. Er verwaltet die Quicksilver Foundation, die er in den frühen Neunzigern gegründet hat. Dabei geht es um einen riesigen Haufen Geld, den er an verschiedene Kunsteinrichtungen spendet. Welche ihm dafür ausnahmslos die virtuellen Füße küssen.«
»Gibt’s Fotos?«, bohrte Connor nach.
»Ich konnte kein aktuelles finden. Die hier sind
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