In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)
Gruppen-Artificium, das wir je durchgeführt haben...
Björn Randow: Artificium...?
Athos: So nennt Adam Kadmon das Sterben, das nicht dem üblichen Sterben gleicht, sondern dem Auftakt einer gelenkten, bewußten Wanderung durch das Jenseits entspricht, die wir als Aschewerdung bezeichnen...
Björn Randow: Sie haben eine ungeheuerliche Phantasie. Und einen unglaublichen Mangel an Pietät...
Athos: Warum haben Sie dann sieben Jahre Ihres Lebens damit verbracht, um uns aufzuspüren?
Björn Randow: Weil ich denke, daß Sie ein Verbrecher sind. Ein genialer Verbrecher. Unter Umständen. Vielleicht hatten Sie einfach nur Glück.
Athos: Haben Sie denn keine Angst, daß Sie hier nicht lebend herauskommen, wenn ich ein Verbrecher bin?
Björn Randow: Ich glaube nicht, daß dies Ihrer Vorgehensweise entspräche... Außerdem gibt es Menschen, die wissen, wo ich gerade bin und was ich gerade mache. Ich will ehrlich zu Ihnen sein... Ich weiß nicht, was ich von all dem halten soll.
Athos: Sie wären überrascht, wie viel die Polizei und der Interpol über uns in ihren Archiven haben. Und ich bewundere Ihren Scharfsinn. Denn Sie haben recht. Wäre ich ein Verbrecher, der Ihren Schaden im Sinne hat, würde ich nicht all die Zeit investieren, um mit Ihnen zu sprechen.
Björn Randow: Sie geben also vor, wie eine Art tibetischer Heiliger wiedergeboren worden zu sein?
Athos: Es ist schwer für diese Vorgänge die passende Grammatik zu finden, nicht wahr? Der Vergleich ist aber nicht ganz korrekt, aber auf der richtigen Spur. Ein tibetischer Rimpotsche ist im Stande den Ort seiner Wiedergeburt vorherzusehen und ihn im Tod entsprechend anzusteuern. Das ändert nichts daran, daß er als ein nichtsahnender Säugling geboren wird. Wir dagegen bedienen uns erwachsener Körper.
Björn Randow: Wollen Sie damit sagen, daß der Massenselbstmord der über 900 Anhänger von Jim Jones, der sich vor einem halben Jahr in Guyana ereignete, auch nur eine Reinkarnations-Nummer war?
Athos: Verstehen Sie bitte eins - wir sind an dem Betrieb einer Sekte vollkommen uninteressiert. Doch es gab Zeitpunkte, an den die Fassade einer religiösen Verbindung die nötige Tarnung und die nötige Fluchtmöglichkeit bot. Mit richtigen Sekten haben wir nichts zu tun und finden sie in jeder Hinsicht lachhaft. Doch es gilt stets zu bedenken: nur weil etwas im Fernsehen gezeigt und entsprechend kommentiert wird, bedeutet es nicht, daß wir uns dadurch in der Kenntnis aller Fakten oder im Besitz der Wahrheit befinden. Ganz gleich, wie viele Volontäre es nachrufen und weiter verbreiten.
Björn Randow: Sie sagen also: die Vorgänge in 1972 lassen sich mit dem Massenselbstmord in Guyana nicht vergleichen...
Athos: Ich habe mit Guyana nichts zu tun. Ich bin hier, um Ihnen meine Geschichte zu erzählen...
Björn Randow: Können Sie versuchen am Anfang zu beginnen? Wie hat für Sie alles begonnen?
Athos: Die ganze Geschichte fing im Frühling des Jahres 1766 an. Ich war ein 17jähriger Mann im Dienst der preußischen Armee und lebte in Berlin.
Björn Randow: Warten Sie...! Langsam. Das würde bedeuten, daß Sie über 200 Jahre alt wären...
Athos: 230 um genau zu sein.
Björn Randow: [lacht] Sie haben sich gut gehalten.
Athos: Sie nehmen das nicht ernst, ich verstehe das. Aber das macht nichts. Adam Kadmon hat mich aufgefordert, Ihnen alles zu erzählen. Sie sind im Grunde mein Versuchskaninchen. Ich erzähle Ihnen die Wahrheit und nichts als die Wahrheit und werde Ihre Reaktion darauf studieren.
Björn Randow: Ich bin auf jeden Fall jetzt schon sicher, daß Ihre Geschichte einen hohen Unterhaltungswert haben wird.
Athos: Bestimmt.
Archiv der Lux Aeterna
VERZEICHNIS ATHOS
INTERVIEW 1979 - 2/5
Historisches Dokument Nr. 4217.462
/home/athos/log/4217.462
Athos: Normalerweise erzähle ich meine Geschichte nur Menschen, die schwer krank sind und dem Tod entgegenblicken. Die sind wesentlich empfänglicher für alternative Weltbilder, als Sie im Augenblick. Meine Kindheit und Jugend erscheinen mir heute sehr fern und sind auch zu einem nicht erheblichen Teil von mir vergessen worden. Ich habe zu oft den Körper und damit das Gehirn gewechselt. Irgendetwas geht damit stets verloren. Doch ich erinnere mich daran, dass dies sehr unruhige Zeiten waren. Krieg war im Leben eines Menschen damals an der Tagesordnung. Nur wenige Jahre zuvor hatten die Russen und die Österreicher die Stadt geplündert, doch nun war eine Zeit des
Weitere Kostenlose Bücher