In der Box: Wie CrossFit® das Training revolutionierte und mir einen völlig neuen Körper verlieh (German Edition)
Muskeln isoliert trainieren konnte, grundsätzlich in Zweifel. Aus seiner Sicht konnte eine Bizepsmaschine mit Ketten- oder Riemenantrieb, die Tausende von Dollars kostete und Hunderte von Kilos wog, in puncto Trainingseffekt einer gerade mal 15 Dollar teuren Klimmzugstange nicht annähernd das Wasser reichen.
Glassman hatte in seinem Fran-Workout ein riesiges Potenzial erkannt, das er nun unbedingt ausschöpfen wollte. Erst einmal musste er sich allerdings jede Menge Unsinn anhören, den nicht zuletzt die Sportwissenschaft selbst in Umlauf gebracht hatte. Wenn Sport, Fitness und Gesundheit eine Wissenschaft sind, überlegte sich Glassman, wäre es zunächst einmal wichtig, sich auf ein einheitliches Fachvokabular zu einigen. Was ist »Fitness«, was »Gesundheit«?
Glassman suchte nach präzisen Definitionen – so präzise, dass sie der kritischen Überprüfung durch einen Ingenieur oder Physiker standhalten würden. Er ging die Definitionen durch, die verschiedene sportwissenschaftliche Institutionen vorlegten, wie beispielsweise das American College of Sports Medicine, aber alles schien sehr weit gefasst und vage (Gesundheit wurde beispielsweise als »die Abwesenheit von Krankheit« definiert). Es schien, als wäre den Vätern dieser Definitionen vor allem daran gelegen gewesen, es möglichst allen recht zu machen – oder als hätten sie Vertreter der verschiedensten Disziplinen wie Yoga, Laufen, Gewichtheben, Aerobic und Step-Aerobic in einen Tagungsraum bestellt und sie erst dann wieder gehen lassen, nachdem sie sich auf eine Definition geeinigt hatten, der jeder sich anschließen konnte.
Glassman kam zu dem Schluss, dass ein Personal Trainer ohne eine brauchbare Definition kein klares Ziel vor Augen haben und die Leistungsentwicklung seines Klienten nicht messen konnte. Woher weiß man, ob man etwas erreicht hat oder nicht, wenn man sein Ziel nicht genau definieren kann? Als ich Glassman begegnete, sprach er während eines Ausflugs zu einem Baseballspiel zu einer Gruppe von Mitarbeitern des CrossFit HQ und berichtete, wie er kurz zuvor Außenstehenden erklärt hatte, warum eine Definition von Fitness so wichtig ist: »Sagen wir einmal, wir wollen herausfinden, wie viele Grillen sich auf einer Wiese tummeln. Zuerst müssen wir uns darauf einigen, was eine Grille ist. Wenn Sie loslegen und irgendwelche Insekten zählen, die Sie für Grillen halten, und ich genauso verfahre, zählen wir alle möglichen Käfer und erreichen damit rein gar nichts. Wir müssen also zuallererst beschließen, was eine verdammte Grille ist.« Die Konzepte, Experimente und Erkenntnisse, die Sportbetreuer und Trainer bis dahin als selbstverständlich hinnahmen, besaßen in Wahrheit gar keine echte Basis. Ohne Definitionen, beharrte Glassman, hat man keinen Maßstab und dann fehlt jede wissenschaftliche Grundlage.
Eine Definition musste her, also fing Glassman an, seine eigene zu entwickeln. Er wollte eine Definition von Fitness, die wissenschaftlich gesehen Hand und Fuß hatte.
GPP: eine weit gefasste Vorstellung von Fitness
Nachdem Glassman ausgiebig über die vielen unpräzisen Definitionen von Fitness nachgedacht hatte, die ihm begegnet waren, beschloss er, bei seiner eigenen Begriffsbildung optimale Fitness nicht damit gleichzusetzen, dass man die Tour de France oder den Ironman auf Hawaii gewinnt, über 300 kg im Bankdrücken schafft oder Mr. Olympia wird. Glassman war skeptisch, als die Zeitschrift Outside 1997 den sechsfachen Ironman-Sieger Mark Allen zum fittesten Man der Welt kürte. Glassman stellte Allens sportliche Leistungen keinesfalls in Frage, aber warum fiel die Wahl nicht auf einen Zehnkämpfer, der ein hervorragender Alleskönner ist? Oder auf einen Weltmeister im Schwimmen, Gewichtheben, Turnen oder Rudern? Welche Eigenschaften sollten in die Bewertung von Fitness eingehen – Kraft und Koordination, Schnelligkeit und Explosivität oder Ausdauer? Und wie sollten diese einzelnen Aspekte gewichtet werden?
Glassman kam zu dem Schluss, dass die Spezialisierung auf eine Sportart im Widerspruch zu seiner Aufgabe als Personal Trainer stand: nämlich anderen dabei zu helfen, eine bessere allgemeine Fitness zu erlangen. Ein reines Gesundheits- und Fitnessprogramm sollte seiner Meinung nach den Klienten auf ein möglichst großes Spektrum an körperlichen Aktivitäten vorbereiten. Er wollte, dass ein CrossFitter viele Ziele gleich gut erreichte und nicht eines oder zwei perfekt, aber dafür bei allen anderen grandios
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