In der Box: Wie CrossFit® das Training revolutionierte und mir einen völlig neuen Körper verlieh (German Edition)
sondern tiefer abgesenkt werden müssen. Dadurch verbessere man nicht nur seine sportliche Leistung im CrossFit, sondern auch seinen allgemeinen Gesundheitszustand und seine Lebensqualität. Nicht nur Kniebeugen, sondern auch Kreuzheben, Rudern und Klimmzüge sind Beispiele für funktionelle Bewegungen, die laut Glassman auch im echten Arbeitsleben vorkommen. 100 Ballen Heu auf einen Anhänger zu hieven gelingt am effizientesten, wenn man sie umsetzt und stößt.
»Die Kniebeuge ist für Ihr Wohlbefinden von entscheidender Bedeutung«, schrieb Glassman im CrossFit Journal im Dezember 2002. »Sie kann Ihre sportlichen Fähigkeiten enorm verbessern und dafür sorgen, dass Ihre Hüften, Knie und Ihr Rücken auch noch im hohen Alter gut in Schuss sind. Die Kniebeuge schadet den Knien nicht […], sie hat vielmehr eine erstaunliche rehabilitative Wirkung, und das sogar bei angeschlagenen, verletzten oder empfindlichen Knien. Tatsächlich ist es so: Wer keine Kniebeugen macht, kann langfristig auch nicht erwarten, gesunde Knie zu haben, ganz gleich, ob er Schmerzen hat oder nicht. Dies trifft übrigens auch auf die Hüften und den Rücken zu.«
Aber warum sollte ein Läufer besonderen Wert darauf legen, eine vollständige, formvollendete Kniebeuge ausführen zu können? Beim Laufen beugt man die Beine abwechselnd immer wieder leicht, auch wenn man sie niemals so extrem beugt und streckt wie bei einer Kniebeuge. Man macht also unzählige einbeinige Viertel-Kniebeugen. Glassman, Starrett und MacKenzie sind der einhelligen Meinung, dass man »sein Leistungspotenzial nicht vollständig ausschöpft«, wie Starrett es formuliert, wenn man nicht in der Lage ist, eine vollständige Kniebeuge mit sauberer Technik auszuführen – also mit geradem Rücken, den Knien über den Füßen und so tief, dass die Hüften näher am Boden sind als die Knie. Natürlich kann man mit einem Scharfschützengewehr aus fünf Metern Entfernung auf ein Ziel treffen – so eine von Glassmans berühmt-berüchtigten Analogien –, aber man merzt seine Schwächen erst dann wirklich aus, wenn man sich der Herausforderung stellt und ein Ziel zu treffen versucht, das 100 Meter weit weg ist.
Kelly Starrett erklärte mir später, dass genau das die Idee ist, die hinter der »Sichtbarmachung des Unsichtbaren« steckt – man benutzt ein CrossFit-artiges Training, um herauszufinden, welche Schwächen man hat, bevor sie früher oder später zu handfesten Verletzungen führen. Außerdem kann ein Läufer, der beweglich und stark genug ist, um viele Kniebeugen mit korrekter Technik zu absolvieren, vor allem bei einem langen, anstrengenden Lauf mehr Kräfte mobilisieren als der angeschlagene Läufer, dem diese Übung nicht gelingt. Wer keine Kniebeugen schafft, so Starrett, hat ein unterschwelliges Problem, das früher oder später zum Vorschein kommen wird.
Als ich zum ersten Mal unter den wachsamen Augen von Kelly Starrett eine Kniebeuge machte, hatte ich keine Ahnung, was er da tat und warum meine Technik so wichtig sein sollte. Nie zuvor hatte mich ein Physiotherapeut und Sportmediziner zu etwas Vergleichbarem aufgefordert.
Kniebeuge? Kein Problem, dachte ich. Zu Schulzeiten hatten sie im Footballtraining zur Tagesordnung gehört, noch dazu mit einer knapp 140 kg schweren Langhantel auf den Schultern. Damals hatte ich allerdings meist nur halbe oder Viertel-Kniebeugen ausgeführt. Nun aber bat mich Starrett, möglichst tief in die Hocke zu gehen. Er beobachtete meine Lendenwirbelsäule, ihre Krümmung, die Körperachse und wie ich den Körperschwerpunkt verlagerte. Er achtete darauf, wie sich meine Hüftmuskeln beugten bzw. streckten und ob mein Rumpf stabil war. Er wollte sehen, ob sich meine Fersen vom Boden lösten (was der Fall war), ob ich meinen Kopf sinken ließ (ja, tatsächlich) und ob meine Knie zueinander zeigten (auch das) – das alles galt als Fehler. Wenn ich in diesem Zustand versucht hätte, Kniebeugen mit einer 60 kg schweren Langhantel zu machen, hätte ich mir genau den Schaden zufügen können, wegen dem einige Ärzte und Chiropraktiker von Kniebeugen abraten.
Starrett hingegen fragte mich nicht einmal, welches Knie mir eigentlich wehtat. Nachdem er gesehen hatte, wie ich mich bei meiner Kniebeuge abquälte, erklärte er mir sogleich, wie man es richtig macht. Vor allem zeigte er mir, was ich tun musste, damit sich meine Knie nicht einwärts drehten oder über die Füße hinausbewegten. Das erinnerte mich spontan an die einzige
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