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In der Falle - Leino, M: In der Falle

In der Falle - Leino, M: In der Falle

Titel: In der Falle - Leino, M: In der Falle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Leino
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zuzuhören und interessant zu finden, was er sagte, auch wenn der Ararat-Cognac in seinem Glas miserabel schmeckte und er lieber eine Dusche genommen und die Kleider gewechselt hätte. Er schwitzte, dass ihm die dicke Brille beschlug und das Gestell am Gesicht festklebte. »Kommst du aus Eriwan?«
    »Nein«, sagte Demirchyan überraschend scharf. »Aus Hrasdan, dem ehemaligen Akhta, am Westufer des Sevan-Sees. Das Tal und die Stadt waren ein Juwel an der armenischen Krone, jetzt ist alles heruntergekommen. Ruinen und eine DDT-verseuchte Natur.« Der Armenier spülte den Mund mit Cognac. »Trotzdem ist es schön, aufs Meer zu schauen und zu wissen, dass auf der anderen Seite, gleich hinter Georgien, die eigene Heimat liegt.«
    Koljakov warf einen Blick auf die Sonne und unterdrückte den Impuls zu sagen, dass Demirchyan eher in Richtung Samsun in der Türkei schaute. Seine Heimat lag ein ganzes Stück weiter links.
    »Wenn du schon hier bist, musst du auch in die Stadt. Sotschi ist ein beeindruckendes Zeugnis stalinistischer Architektur.« Demirchyan lachte. »Wusstest du, dass sie sogar eine finnische Partnerstadt haben?«
    »Nein. Welche?«
    »Espoo. Womit wir beim Geschäft wären. Wie steht’s mit Finnland?«, fragte Demirchyan und rückte seinen Stuhl näher an den Tisch. Die Sehnsucht nach der Heimat schien vergessen.
    »Alles bereit für April, in Schweden auch«, antwortete Koljakov. Er wollte ebenfalls eine Frage stellen, ließ sich aber Zeit. Ihm gegenüber saß ein wesentlich intelligenterer Mann, auch das hatte er in den vergangenen vier Jahren gelernt. Demirchyan hatte mit nichts angefangen, sein einziges Kapital war sein Gehirn, und jetzt führte der Mann die zweitstärkste Mafiaorganisation Russlands, ohne dass jemals auch nur Anklage gegen ihn erhoben worden wäre. So weit brachte man es weder allein mit Glück noch durch Zufall.
    Koljakov versuchte einen möglichst lockeren Ton anzuschlagen und lächelte dabei. »Was ist mit den anderen Lagern und Transporten? Ich bin doch sicher nicht der einzige, den du wegen so einer Operation kommen lässt? Ich hab aber noch keinen von den anderen gesehen.«
    »Und das wirst du auch nicht, mein lieber Kolja«, sagte Demirchyan und schenkte sich von dem schlechten armenischen Cognac nach. Koljakov machte eine abwehrende Handbewegung, als sich die Flasche seinem Glas näherte. »Du hast insofern recht, als du der einzige bist, den ich hierherkommen lasse. Alle anderen werde ich nicht in mein bescheidenes Sommerhaus einladen. Und weißt du, warum nicht?«
    Koljakov war versucht zu antworten, dass er selbst solche Gespräche auch lieber in Moskau geführt hätte, wohin erstens der Flug kürzer und wo zweitens das Klima im Februar nicht so abartig anders war als in St. Petersburg. Die anderen würden es da einfacher haben.
    Demirchyans Sommerhaus war allerdings alles andere als bescheiden. Seinen ausschweifenden Erklärungen zufolge hatte es Anfang des 20. Jahrhunderts ein mit den Romanovs verwandter Großfürst gebaut, dessen Name ihm beim Rundgang durch die Villa nicht eingefallen war, jedenfalls sei es einer von den gerade mal acht gewesen, die nach der Revolution noch übrig waren. Die Villa sei während der Revolution mehrfach geplündert worden und habe danach siebzig Jahre lang leer gestanden, bis sie nach der Auflösung der Sowjetunion einer der über Nacht reich gewordener Oligarchen gekauft und so hergerichtet habe, wie sie sich jetzt präsentiere. Als unter Putin die Oligarchen so ihre Schwierigkeiten bekommen hätten, habe er, Demirchyan, sich das Teil gepflückt wie einen reifen Apfel von einem Baum, der seine Äste vom Nachbargrundstück herüberstreckte. Genau so hatte er sich ausgedrückt.
    »Willst du’s nicht wenigstens versuchen?«, erinnerte er jetzt Koljakov an die Frage, die er ihm gestellt hatte.
    Koljakov wusste, dass die angebliche Geschichte der Villa der pure Unsinn war, aber er hatte den Gastgeber selbstverständlich nicht korrigiert. Die Entwicklung Sotschis setzte überhaupt erst Anfang der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts ein, als Stalin aus der Region ein Paradies für die Sowjetarbeiter hatte machen wollen. Architektonisch bedeutete das hauptsächlich kastenförmige, riesige Bäderanstalten und Hotelkomplexe aus dem Geist der sozialistischen Renaissance. Koljakov wusste, dass Demirchyans Villa noch nicht einmal so alt war. Sie war ein in den 90er Jahren entstandenes Ungetüm, das alle möglichen Stilrichtungen in sich versammelte,

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