In der Falle - Leino, M: In der Falle
Machos Kanone ging los. Vesas Ohren machten sofort dicht. Er roch nur noch das Schießpulver und sah das Loch mitten in der Windschutzscheibe: klein, unscheinbar und sauber wie von einem harmlosen Steinschlag. Vesa bohrte die Zeigefinger in die Ohren, und sie öffneten sich mit einem Plopp. Ein dünner Luftstrom pfiff durch das Einschussloch ins Führerhaus. Vesa sah, dass Vaters Blick fest auf das kreisrunde Loch geheftet war. Auch Macho starrte mit der Pistole in der Hand darauf. Die dünnen Haare über der Stirn standen ihm in die Höhe wie Tim aus Tim und Struppi . Seine Schweinsaugen blinzelten in den Luftstrom, der durch das Loch kam.
»Komisch, dass sie nicht ganz kaputtgegangen ist«, sagte er.
Vater warf ihm einen Blick zu und schwieg. Er grub eine Zigarette aus der Hosentasche und zündete sie an. Vesa sah, dass seine Hand zitterte. Vater sagte nicht einmal dann etwas, als Macho die Pistole in die Brusttasche zurücksteckte und seinen Kaugummi in das Loch in der Windschutzscheibe drückte.
»Gut, dass die Straße vor uns leer war«, sagte Macho. »Sonst hätten sie vielleicht noch irgendeinen Pechvogel vom Baum kratzen müssen.«
Vesa drehte den Kopf zum Seitenfenster, schloss die Augen und versuchte, sich an irgendeinen anderen Ort zu denken. Aber Macho hantierte so nah an seinem Ohr mit dem Handy, dass er die für ein Sichwegdenken notwendige Phantasie nicht aufbrachte. Er war hier, auf dem Weg nach Koivukylä, mit seinem Vater und dessen irrem Kumpel, und gerade eben war er kurz davor, zwischen dem Irren und der Tür von Vaters Hiace zerquetscht zu werden wie eine Fliege. Der Versuch, sich wegzudenken, war aussichtslos.
»Es klappt nicht«, sagte Macho, als wollte er Vesa recht geben.
»Was klappt nicht?« Vater machte endlich wieder den Mund auf. Und wieder mal redete er nicht, sondern brüllte, was seine mit Teer verkleisterte Lunge hergab. »Was klappt nicht, frag ich dich? Meine Erschießung? Gottverdammte Hacke!«
»Nein, der Anruf bei Härski. Er geht nicht dran«, sagte Macho und klappte das Handy zu.
»Du hättest ihm wenigstens die Kündigung auf die Mailbox sprechen können.«
»Er hat keine Mailbox. Sein Handy ist nicht mal an.«
»Soso. Und deine Knarre ist jetzt hoffentlich gesichert?«, fragte Vater und blies Macho Zigarettenrauch ins Gesicht.
Aus irgendeinem Grund sagte Macho nichts, aber Vesa sah ihn unauffällig die Brusttasche abtasten. Vater bog jetzt in die Koivukyläntie. Vesa hätte ihn gern gefragt, warum er nie den Blinker benutzte, aber er brachte es nicht über sich.
Der Regen kam hinter einer Steigung. Als Vater die Scheibenwischer einschaltete, zog der auf der Fahrerseite eine hässliche Spur über die Frontscheibe. Er hatte Machos überstehenden Kaugummi erwischt.
»Hubba Bubba«, brummte Macho.
»Gottverdammte Hacke!« Vater kurbelte das Seitenfenster herunter, warf die Zigarettenkippe weg und steckte den Kopf hinaus. Seine Strähnen wehten im Wind, und der Regen peitschte ihm ins Gesicht. Gegen das Kaugummi hatte er trotzdem keine Chance. Es gelang ihm nur, den zähen Kleb weiträumiger auf der Scheibe zu verteilen. Macho schien das Missgeschick ehrlich leidzutun. Plötzlich hob er die Hände und zeigte auf etwas hinter den Feldern auf Vesas Seite.
»Guckt mal, ein Regenbogen!«, rief er begeistert. »Meine Mutter hat immer gesagt, wenn man sein Ende findet, steht dort ein Beutel Diamanten. Diamanten!«
»Es ist ein Topf voll Gold«, korrigierte ihn Vesa.
»Wie?«
»Es heißt, dass man dort einen Topf voll Gold findet.«
»Willst du sagen, dass meine Mutter mich angelogen hat?«, fragte Macho.
Vesa sah, dass Machos Blick sich verfinstert hatte. »So hab ich’s nicht gemeint«, sagte er. »Manche sagen Diamanten, andere sagen ein Topf voll Gold – Hauptsache, ein Schatz.«
»Ein Schatz«, wiederholte Macho träumerisch und beugte sich nach vorn, um sich an Vesa vorbei noch einmal den Regenbogen anzuschauen. »Sieht so aus, als würde er am Ende von dem Feld da vorne enden.«
»Verdammte Hacke noch mal!«, bellte es aus Vaters nassem Gesicht. »Ist das hier ein Herbstausflug der Kita Purzelbaum, oder was?«
»Das versteh ich jetzt nicht«, sagte Macho todernst.
»Am Ende der Regenbögen in Koivukylä findest du höchstens einen Sack Blumenerde oder einen dünnen Fladen Kuhscheiße – verstehst du das ? Nichts findest du, es sei denn, irgendein Drogi hat dort zufällig sein zu Tode gestrecktes Speed gebunkert.«
»Woher weißt du das? Warst du mal
Weitere Kostenlose Bücher