In der Falle - Leino, M: In der Falle
Sundström. »Der Name geht dich nichts an. Du tust nichts, was die Operation mit den Russen gefährden könnte. Ich ruf dich morgen wieder an.«
Damit war das kurze Telefongespräch vorbei. Turunen betrachtete noch eine Weile das Handy und lächelte. Sundström hatte einen Fehler begangen. Er fühlte sich so überlegen, dass er beim Himmel-und-Hölle-Spiel auf die Linie getreten war. Tatsächlich war der ganze Schuh außerhalb des Kästchens gewesen. Es handelte sich also um ein und denselben Mann.
Turunen suchte nach Enqvists Nummer. Enqvist als ehemaliger Wirtschaftsjurist hatte Beziehungen und käme ohne größere Schwierigkeiten an Sundströms Akte. Nicht, dass er sie nicht auch selbst hätte besorgen können, aber für das Stochern im Wespennest sollte man einen entsprechend langen Stock verwenden. Und noch besser war es, jemand anderen stochern zu lassen und selbst nur aus der Ferne zuzuschauen.
Turunen warf einen Blick auf die Uhr. Er hatte gut Zeit für ein paar weitere Wodkas. Es waren solche Morgen, die ihn sicher sein ließen, dass er die richtige Berufswahl getroffen hatte: Verbrechen lohnte sich, immer, unabhängig von der Konjunktur.
Beim nächsten Schluck Wodka erinnerte er sich daran, dass sein Studienberater ihm damals geraten hatte, sich für die humanistische Fakultät zu bewerben. Philosophie oder Geschichte hatte der Mann im hässlichen Pulli als die für Turunen geeigneten Fächer vorgeschlagen. Der Mann war in seinem Fach eine komplette Null gewesen. Philosophie! Nur weil er die Lehrer vorgeführt und, um sie und seine dämlichen Mitschüler zu ärgern, Bestnoten geschrieben hatte, sollte er sein Leben in einem stickigen Gelehrtenstübchen verbringen und darüber nachdenken, wer er war und wozu zur Hölle er überhaupt auf der Welt herumlief? Wenn die alten Griechen nicht zu wenig zu tun und zu viel Wein gehabt hätten, wäre die ganze westliche Philosophie überhaupt nicht entstanden, das war seine Meinung. Allerdings erkannte er sich in gewisser Weise in Sokrates wieder: Der Mann mit dem lockigen Bart hatte genauso alles in Frage gestellt wie er selbst. Nur dass er Sokrates mit in Frage stellte, das war der Unterschied.
Der Rausch nahm Turunen die Unsicherheit, die er während des Gesprächs mit Sundström noch verspürt hatte und die er im nachhinein als ganz und gar überflüssig ansah. Und Geschichte? Was gab es da überhaupt zu studieren? Die war vorbei. Ein Kind, das gestern auf die Welt gekommen war, brauchte heute keine Hebamme mehr. Jetzt war jetzt, und morgen war alles anders.
Turunen machte dem Barkeeper wieder ein Zeichen. Er fuhr auf dem Barhocker halb im Kreis und sah mit offen zur Schau gestelltem Grinsen zu, wie ein Schlitzauge mit schweißnassem Gesicht seinen quietschenden Rollkoffer zum passenden Flugsteig zerrte. Esel gibt es überall auf der Welt, dachte er. Man brauchte nur Geduld zu haben und selbst eine Weile den Esel zu geben, da merkten die richtigen Esel nicht, dass mitten unter ihnen ein Löwe unterwegs war.
Viitasalo stand auf einem der Flure des Stockholmer Messe- und Kongresszentrums und stützte sich mit den Ellbogen auf ein Metallgeländer. Draußen vor den Glaswänden hatte es während des letzten Nachmittagsvortrags angefangen zu schneien. Sari antwortete nicht. Sari hatte schon am Morgen nicht geantwortet, als er vom Flughafen Arlanda aus das erste Mal zu Hause angerufen hatte. Sari hatte auch nicht geantwortet, als er es gleich zweimal von seinem Zimmer im Scandic Infra City Hotel aus versucht hatte. Auch ein Versuch vor dem ersten Vortrag im Auditorium war vergebens gewesen. Etwa dreißig Beamtinnen und Beamte mit an der Infotheke ausgegebenen Namensschildern an der Brust hatte Viitasalo gezählt. Die laminierten Kärtchen verzeichneten zusätzlich zum Namen und zur Berufsbezeichnung die Organisation oder Behörde, die der Tagungsgast repräsentierte, und sein Heimatland. Während der Mittagspause waren es dann fünf Versuche gewesen, die fehlschlugen.
Auch diesmal erreichte Viitasalo nur den Anrufbeantworter, aber er wollte keine Nachricht hinterlassen. Stattdessen versuchte er es noch einmal, während hinter ihm im Auditorium der nächste Vortrag begann. Die Rede des Verantwortlichen des UNODC drang gedämpft durch die geschlossene Tür und wurde vom Freizeichen aus Viitasalos Handy rhythmisch begleitet.
»… is Turkey, which remains not only a major staging area and transportation route for heroin destined for European markets but also a
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