In der Hitze der Nacht
das Feuer überlebt hatte, noch warum sie mit LeClare in dem Lagerhaus gewesen war.
Caine wusste es. Er hatte immer alles über sie gewusst. Aber Isabel hatte ihre Entscheidung vor zehn Jahren getroffen, und er ebenfalls.
»Gantry .«
Remy Duchesnes kratzige Stimme drang durch das Bootshaus, doch Caine blickte nicht von dem Leck auf, das er gerade an der Backbordseite seines Fischerbootes flickte. Er hatte schon den ganzen Morgen mit dem Besuch seines alten Chefs gerechnet. »Hier .«
Der Alte kam zu ihm herüber und begutachtete sein entstehendes Werk. »Einen Zusammenstoß gehabt ?« Er deutete mit dem Kopf nicht auf das Boot, sondern auf Caines rechte Hand, die über drei Knöchel hinweg geschwollen und zerschnitten war.
Caine überlegte sich, ob er Remy von Billy erzählen sollte. Dann blickte er hoch in sein verschandeltes Gesicht, und die alte Wut und Scham schmetterten ihn nieder, bleischwer und unabänderlich wie eh und je. »’ne Falle hatte sich verklemmt .« Er ließ den Pinsel wieder in die Dose mit dem flüssigen Dichtungsmittel fallen, mit dem er die geflickte Stelle wasserdicht machte, und stand auf.
Aufgrund seines schlechten Bluts war Caine dicker als jeder andere am Atchafalaya, und er war fast einen halben Meter größer als Remy, der klein und spindeldürr war. Aber wenn Caine die wulstige, zerfurchte Haut seines alten Bosses sah, fühlte er sich bestenfalls fünfzehn Zentimeter groß.
Es war Caines Vater, Bud Gantry, gewesen, der Schuld an Remys Gesichtsnarben hatte.
»Ich muss mit dir reden « , sagte Remy. »Nur eine Minute .« Caine stieg in die Kabine hinunter und betrat den winzigen Bug, schloss die Tür und lehnte sich an die Wand.
Nachdem Bud ins Gefängnis gewandert war, hatte Caines Mutter, Dodie, die Gelegenheit genutzt, sich ganz den zwei Dingen zu widmen, die sie mehr liebte als Bud: trinken und jeden vögeln, der ihr einen ausgab. Ein paar Jahre später war Dodie an Leberversagen gestorben und hatte den sechzehnjährigen Caine als Waisen zurückgelassen.
Schon damals versuchten alle, sich umeinander zu kümmern, aber der streitsüchtige Sohn eines brutalen Angebers und einer versoffenen Hure erhielt nicht allzu viel Aufmerksamkeit.
Remy Duchesne war es gewesen, der Caine bei der Beerdigung seiner Mutter beigestanden und geholfen und ihm dann einen Job angeboten hatte: Fallen prüfen und Touristen hinausfahren. Vielleicht, weil Caine immer wie ein Wildfang gelebt oder weil Remy ihn immer im Angelshop rumhängen gesehen hatte. Caine hatte seinen Stolz und wollte eigentlich ablehnen, aber der Aussicht, Sable näher zu sein, konnte er nicht widerstehen.
Das war alles, wofür Caine damals gelebt hatte: Isabel Duchesne nahe zu sein. Schon als Kleinkind hatte sie ihn in den Bann gezogen. Sie war einfach das Bezauberndste, das er je gesehen hatte.
Caine war bei Remy geblieben und hatte zugesehen, wie aus dem kleinen Mädchen des alten Mannes eine wunderschöne junge Frau wurde. Er hatte zugesehen, wie sie ihr Stipendium bekam und fort aufs College ging, und nie ein Wort darüber verloren, was er für sie empfand. Caine wusste, dass er niemals gut genug für sie sein würde, doch in seinem Herzen gab es trotzdem einen kleinen Hoffnungsschimmer, dass sie eines Tages Notiz von ihm nehmen würde. Wenn er hart genug arbeitete und ein anständiges Leben führte, erwarb er sich vielleicht eines Tages das Recht, sie zu einem Tanz unter dem Sternenhimmel auszuführen. Erst an dem Abend, als Sable von der Tulane floh, kam er dahinter, was sie wirklich von ihm hielt.
Er sah Isabel über die alten, verwitterten Bretter des Bootsanlegers rennen und kurz anhalten, um nach einer kleinen leeren Kiste zu greifen. Als sie zum Bootshaus kam, stellte sie sich auf die Kiste, öffnete das Fenster, hievte sich hindurch und schloss es wieder hinter sich.
»Sable !« , rief eine wütende Stimme. »Wo zum Teufel bist du ?«
Im Schutz des Schattens beobachtete Caine, wie Sable sich mit dem Rücken an die Wand presste. Sie zitterte, ihr Gesicht war tränenüberströmt, Haut und Haar und das zarte Spitzenkleid – das Kleid ihrer Mutter – trieften vor Dreck.
Er trat hinter sie und legte ihr seine große, knochige Hand auf den Mund, um den Schrei zu ersticken, den sie mit Sicherheit von sich geben würde.
»Schsch !« Er ging um sie herum, bis er sich im Lichtkegel des Fensters befand. »Ich bin’s nur .«
Sable schloss die Augen und sackte an ihn gelehnt zusammen.
Caine hatte sie nie zuvor in
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