In der Hitze der Stadt
Medien. Der zweite Wahlgang war mit dieser Unterstützung ein Klacks. Nur drei Monate nach seiner Wiederwahl machte Regierungsrat Schläfli plötzlich auf amtsmüde und wechselte sogleich das Departement. Und was war die letzte Amtshandlung von Schläfli als Vorsteher des Justiz- und Sicherheitsdepartements? Er ernannte Daniel Schneider zum neuen Chef der Kriminalpolizei des Kantons Basel-Stadt.
Baumer wusste schon lange, dass in gewissen Institutionen in Basel der Name mehr zählte als die Leistung. Daher hatte er die paar wenigen Semester, die er nach der Matur als Eintrittsbillett für die Polizeirekrutenschule gebraucht hatte, an der Universität Zürich studiert. Auf die provinzielle Uni Basel mit einigen ihrer lachhaften Professoren hatte er gut und gerne verzichtet.
Dass Schneider von gewissen grauen Eminenzen aus alteingesessenen Basler Geschlechtern protegiert wurde, beeinflusste ihn in seiner Meinung nicht. Er urteilte nicht nach Herkunft. Jeder bekam bei ihm eine faire Chance. Wichtig war, dass einer etwas konnte. Auch wenn sein neuer Boss primär nur dank seiner Heiratsurkunde Karriere in Basel machte, unterstützte er ihn, so lange Schneider ihm nicht dumm kam und ihn nicht in seiner Arbeit behinderte. Hatte einer hingegen nichts drauf, außer prächtig in den Sessel zu furzen, dann fiel der Mann bei ihm durch, egal ob er Doktor oder Damenschneider war. Er würde nie Sympathien für privilegierte Leute heucheln, die nichts taugten – außer es diente den Ermittlungen. Dass er aber sonst nie heuchelte, war ein kapitaler Fehler im kleinen Basel. Daher wurde Baumer selbst auch von niemandem protegiert, machte er keine richtige Karriere im Basler Beamtenmilieu.
In keinem Milieu.
Bei Schneider war sich der Kommissar noch nicht endgültig im Klaren darüber, ob der Mann wirklich etwas taugte. Schneiders Adern schienen nicht verstopft vom zuckerleichten Leben zu sein. Nur eingeheiratet war er, also möglicherweise unverdorben. Vielleicht hatte er sich sogar ein wenig Moral erhalten. Daniel Schneider hatte Jura studiert und war nach seiner frühen Einheirat – natürlich! – im Basler Justizdepartement untergekommen. Dort hatte er rassig Karriere gemacht. Er hatte einen exzellenten Ruf, aber das will nichts heißen. In allen Institutionen gibt es nicht wenige Figuren, die froh sind um einen Führer, der ihnen sagt, wo es langgeht. Nichts denken müssen, nicht entscheiden müssen, nur freudig gehorchen, das ist das größte Glück für viele Menschen. Als Schneider dann mit nur 32 Jahren zum Chef der Kriminalpolizei gewählt wurde, murrten die älteren Polizisten jedoch. Die Beamten verübelten ihm, dass er nie an der Front gedient hatte, ein riesiges Manko in jedem Polizeikorps, das etwas auf sich hält.
Baumer jedoch schaute hin, was der Mann tat, und er stellte fest, er tat seine Arbeit mehr als ordentlich. Der junge Kommandant schien ein Gespür für Ermittlungen zu haben, machte immer Überstunden, war freundlich zu allen Leuten, ohne sich anzubiedern. Er schien immer der Sache nach zu entscheiden – bisher jedenfalls. Kurzum, Daniel Schneider schien seine Berufung gefunden zu haben und seinen Job fair und anständig zu tun. Was wollte man mehr? Was wollte Baumer mehr?
Nichts.
Andi Baumer stellte immer wieder erstaunt fest, dass er diesen kleinen Schneider durchaus leiden konnte.
Nun würde er also hier die Sitzung leiten. Wahrscheinlich würde man rassig vorwärts machen können, dachte Baumer. Gerade als er etwas zu Heinzmann bemerken wollte, ging die Tür auf, und Daniel Schneider kam herein.
*
Auch heute war der neue Chef der Kriminalpolizei in Schale gekleidet, das Jackett hatte er jedoch in seinem Büro gelassen. Er trug zu der akkurat gebügelten Hose ein dem tropischen Sommerwetter geschuldetes kurzärmeliges Hemd. Auf die Krawatte – Armani – hatte er in seiner Funktion allerdings nicht verzichten wollen. Er hatte als Tribut an die unbarmherzige Hitze einzig den obersten Knopf des Hemdes gelöst und den Krawattenknoten ein wenig gelockert. Auch einer vom »Daig« kann gehörig ins Schwitzen kommen wegen widriger Äußerlichkeiten.
Schneider legte seine Akten auf den Tisch und stellte sich vor seine Leute, wie ein NASA-Ingenieur alter Schule. »Guten Tag miteinander«, traf der oberste Chef der Kriminalpolizei genau die richtige Lautstärke. Ein unerfahrener Leutnant hätte schriller gerufen. Schneider war jedoch Major im Militär und prononcierte leiser, selbstsicherer, wie es
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