In der Hitze der Stadt
Schilde.
»Mit dem, das wir am Tatort gefunden haben, wären es dann insgesamt drei«, sagte Heinzmann. Er machte eine kleine Pause, inspizierte die Fingernägel seiner linken Hand und schob trocken nach: »Der Mann scheint ein richtiger Messerfetischist zu sein.«
Der Zivile wurde wild, ging zwei Schritte auf den Wachtmeister zu, schob ihm sein spitzes Kinn und eine verzerrte Fratze entgegen. »Fick mich nicht an, du alter Sack.« Gerne hätte er Heinzmann gepackt, aber dazu reichten seine Wut, sein Zorn nicht, und auch nicht sein Mut. Seine Kraft reichte schon gar nicht.
Stefan Heinzmann hielt dem bösen Blick von Beat Rötheli ohne Probleme stand. Er war schon so oft von irgendwelchen Pinschern angepisst worden, das konnte ihn nicht mehr aufregen. Er drehte seinen Blick ganz einfach in aller Ruhe auf seine linke Schulter und dort auf das Abzeichen eines Wachtmeisters Klasse 1. Die Farbe dieser Insignien war längst von Regen und Schnee und auch Speichel all der besoffenen Kunden ausgewaschen worden, mit denen Heinzmann je zu tun gehabt hatte. Er hob die rechte Hand zur Schulter und wischte zweimal ganz nonchalant über die Winkel, als wolle er sie von einem Staubfussel befreien.
Plötzlich gingen bei allen dreien zugleich die Handys und zeigten den Eingang einer SMS an.
Die Meldung hieß: »Rapport, 11 Uhr, Zi 101, Spiegelhof. Schneider«.
Rötheli machte sogleich kehrt und zischte ab, ohne sich zu verabschieden. Immerhin war er so mutig, wilde Verwünschungen auszustoßen. Weder Baumer noch Heinzmann beachteten das.
»Also los«, sagte der Wachtmeister zu seinem Freund, der versuchte, die letzten Reste des Automatenkaffees aus dem Plastikbecher zu schlürfen.
Andreas Baumer erwiderte nichts, fühlte sich nur schlapp. Er hatte mächtig Durst.
»Los komm«, drängte Heinzmann. »Unser Boss wartet.«
4
Im großen Sitzungszimmer im Spiegelhof, dem Stützpunkt an der Schifflände, wo auch Baumer sein Büro hatte, waren die Polizisten versammelt, die dem heutigen Mordfall zugeteilt waren. Der hatte den Codenamen »Mina« erhalten. Baumer saß in einer vorderen Reihe, neben ihm Heinzmann. Hinter ihnen grummelte einer, dass Heinzmann doch seinen Deckel abnehmen solle, er sehe nichts. Der Wachtmeister hörte kaum hin, machte keinerlei Anstalten sich zu bewegen, spielte den Schlafenden, schlief vielleicht sogar.
Einer öffnete eine Cola-Flasche, dass es zischte.
»Gibst du mir auch einen Schluck?«, fragte ihn ein Kumpel.
»Nein.«
Ein anderer aß ein Sandwich. Zwiebelaroma vermischte sich mit dem Schweißgeruch der Männer.
So verstrichen die Minuten. Alle warteten sie auf den Chef der Kriminalpolizei, Daniel Schneider. Er war erst seit ein paar Wochen hier der Boss. Vor ihm hatte Regierungsrat Schläfli höchstpersönlich das Kriminalkommissariat interimistisch geleitet. Seitdem der aber das Departement gewechselt hatte, war Schneider der große Zampano hier.
Bisher hatte sich der Neue bei den unteren Chargen kaum Respekt erarbeiten können. Daniel Schneider war relativ klein, sein Gesicht schien rund, noch voller Babyspeck. Seine hellen Haare hatte er immer modisch geschnitten, kurz, aber nicht allzu militärisch kurz. Die akkurat getrimmte Haarpracht passte zu einem Mann wie ihm in den frühen Dreißigern. Insgesamt machte er den Eindruck eines Frauenschwarms in den besten Jahren, obwohl er doch schon vergeben war. Er hatte ganz jung in ein altehrwürdiges – und ungehörig reiches – Basler Geschlecht eingeheiratet.
Schlimmer als die geringe Statur und die relative Unerfahrenheit als Chef der Kriminalpolizei war für seinen Ruf im Korps, dass seiner Ernennung ein »Gerüchlein« anhaftete. Bald nach seinem Amtsantritt wurde gemunkelt, dass seine Wahl nur ein abgekartetes Spiel gewesen war.
Die Geschichte ging so: Schneiders Vorgänger, Regierungsrat Schläfli, hatte um seine Wiederwahl gezittert, der erste Wahlgang war nicht erfolgreich gewesen, und also habe er mit sogenannten notablen Herren aus gewissen Basler Kreisen einen Deal gemacht. Die Monsieurs würden Schläfli bei seiner Wiederwahl unterstützen, wenn einer der ihren im Gegenzug einen wichtigen Job bei der Kriminalpolizei bekäme.
Dieses Gerücht hielt sich hartnäckig, denn Schläfli war nach der ersten Schlappe tatsächlich in auffällig vielen Artikeln der lokalen Medien positiv erwähnt worden. Unzählige Statements von einflussreichen Leuten zu Schläflis brillanter Leistungsbilanz erschienen plötzlich en masse in gewissen
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