In der Hitze der Stadt
Erfolg.
»Was? Was muss ich wissen?«, fragte der Türke.
Danner wunderte sich. »Ihr Bruder hat Ihnen also noch nichts gesagt?«
Der Türke wurde nun doch unruhig. Er zog seine Stirn in Falten, sagte aber nichts.
»Nun«, klärte ihn Danner auf. »Mina ist ermordet worden.« Er behielt seinen Blick auf den türkischen Geschäftsmann festgenagelt.
Dem fiel der Unterkiefer herunter. »Emine ist tot?«
Der Reporter sah, wie sich die Stirn seines Gegenübers hob, die Augen sich weiteten. Alles an seiner Reaktion zeugte von echter Überraschung.
Oder war es nur perfekt gespielt?
»Was ist geschehen?«
»Mina, also Emine wie Sie sagen, wurde heute Morgen auf der Straße ermordet.« Er sagte absichtlich nicht »erstochen«.
»Was … wie wurde sie ermordet?«
Danner hatte den Bruder von Azoglu getestet. Er hatte ihm eine Falle gestellt. Hätte er gefragt »Wer hat sie erstochen?«, dann wäre er zum Topverdächtigen geworden. Aber er schien nicht zu wissen, was geschehen war.
Schien.
Danner klärte sein Gegenüber nun vollends über das Verbrechen an seiner Nichte auf.
Der Türke schüttelte nur immerfort den Kopf. »Nein, nein. Das kann doch nicht … das ist ja schrecklich.« Er krallte seine Hände in die Brust, atmete schwer. Schließlich: »Wo ist Emine jetzt?«
»Sie ist im Kantonsspital, zusammen mit der Mutter. Ich nehme an, Ihr Bruder wurde dort noch aufgehalten. Er ist wohl …«
Der Türke hörte ihn nicht mehr. Er rannte zu seinem Wagen, stieg ein. Der Motor brüllte auf, und der Mercedes raste mit quietschenden Reifen los.
Rolf Danner schaute ihm nach. Er machte sich keine Notizen. Wozu auch? Er hatte genug gesehen. Er hatte registriert, wie dieser Mann reagiert hatte, als er die Nachricht vom Tod seiner Nichte erhalten hatte. Der Journalist brauchte sich das nicht aufzuschreiben. Seine Beobachtungen waren in sein Hirn eingebrannt. Eingebrannt war auch ein wichtiger Hinweis, den er beim Gespräch mit diesem Türken erhalten hatte.
*
Rolf Danner war jetzt voll in seinem Element. Er hatte Blut gerochen. Also eilte er von der Gartenstraße ins Gundeldingerquartier und dort in die Gempenstraße. Stark schwitzend erreichte er sie.
Die Straße lag in gleißendes Licht getaucht. Alle Farben verschwammen zu einem hellen Braun, als hätte sich feiner Wüstensand auf die Gebäude gelegt. Auf dem Asphalt flimmerte die Luft und zitterte Bilder von bewegten Wasseroberflächen auf die Straße. Es war mittlerweile ein Uhr dreißig geworden, und die Gluthitze hatte die Leute tief in ihre Häuser getrieben. Nicht eine einzige plärrende Stereoanlage war zu hören, auch kein Staubsaugerlärm wummerte aus geöffnetem Fenster und entweihte die Ruhe. Die Bewohner, die zu Hause waren, lagen wohl irgendwo matt in einem Sessel oder dösten in einem Liegestuhl auf den schattigen Balkonen auf der Innenhofseite.
Der Journalist vom Blick wusste, dass Clara Werthmüller noch im Spital war, also läutete er gar nicht erst bei ihr. Er würde dennoch ins Haus kommen, denn er würde wie üblich bei den anderen Mietern läuten, bis ihn einer hineinließ.
Das Haus, in dem die Mutter der Ermordeten wohnte, war eine typische Betonmietskaserne der 70er-Jahre. Sie hatte 26 Wohnungen. Die Wahl, wo Danner mit seinen Untersuchungen beginnen sollte, fiel ihm leicht. Die neun türkischen Namen ließ er bewusst aus. Zwar war es wahrscheinlich, dass diese Familien viele Kinder hatten und diese Kontakt mit Mina. Aber er nahm an, dass der Austausch zwischen den türkischen Müttern und Frau Werthmüller wohl eingeschränkt gewesen sein musste. Sowieso. Er hatte keine Lust mit türkischen Ehefrauen oder, noch schlimmer, Großmüttern zu reden. Aus Erfahrung wusste er, dass noch viel zu viele der muslimischen Einwohner kaum einen Satz Deutsch sprachen und höchstens radebrechten. Es wären wohl unergiebige Gespräche geworden, die nur Zeit gekostet hätten.
Die Schweizer Namen ließ er ebenso aus. Auch das war Methode. Er schätzte die Wahrscheinlichkeit, dass diese Schweizer – ob Single oder Paar – Kinder hatten, als gering ein. Daher wäre auch die Wahrscheinlichkeit gering, dass sie mit den Familien im Haus Kontakt hatten. Wenn er auch noch Pech hätte, geriete er an eine einsame alte Baslerin, die ihm bei trockenen Keksen ihr ganzes Leben erzählen würde. Rasch führte er daher seinen Zeigefinger weg vom Schild, das mit Hugentobler beschriftet war.
Aber auch die deutschen Namen interessierten ihn nicht. Keiner davon zeugte
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