In der Hitze der Stadt
illegalen Aktion erfuhr, habe ich sie sofort suspendiert. Ein Verfahren gegen sie wurde eingeleitet.« Dann würde er seine Stimme nochmals bewusst senken und sein Timbre darin – lange geübt, endlich einsetzbar – würde den letzten Zweifler überzeugen. »Ich garantiere persönlich dafür, dass unsere Polizei den allerhöchsten Anforderungen genügt.«
Eine Hand wäscht die andere.
Der Anwalt würde in seiner Szene weiterhin als knallharter Hund dastehen können. Einer, der die Bullen richtig fertigmacht. Zugleich würde Daniel Schneider als Saubermann erscheinen, der für die Probleme nicht verantwortlich ist, sie nur geerbt hat. Einer, der aber radikal aufräumt und dem es gelingt, das Polizeikorps von diesen schwarzen Schafen zu säubern.
Alles voll im Griff, dachte Schneider und lehnte sich zurück. Wohlig genoss er diesen stillen Moment in seinem Büro. Wie einfach Politik doch ist. Immer einen Schritt vorausdenken und daher immer einen Schritt voraussein. Freunde suchen, Allianzen bilden.
Päckli schnüren.
Dann, wenn die Regierungsratswahlen anstünden, würde er im Gegenzug bei der Ikone der linken Szene seinen Anteil einfordern. Eine Hand wäscht die andere, nicht wahr? Sein neuer Freund würde ihm eine empfehlende Wahlaussage nicht mehr verwehren können.
Et voilà .
Auch ein schöner Teil der linken Stimmen würde damit auf seinem Konto landen. So könnte es was werden mit dem Regierungsrat. Die Muslime nicht vergrault; von linken Ikonen empfohlen, die Mitte im Sack aufgrund seiner Heirat in einflussreiche Kreise. Und die konservative Rechte? Die würden ihn als Mann der Polizei sowieso wählen.
Wie einfach die Welt doch zu beherrschen ist, wie einfach, ging es Daniel Schneider durch den Kopf. Er atmete tief und beruhigt ein. Dann stand er auf und stellte sich wieder vor seinen Spiegel.
»Gerechtigkeit für alle«, las er in dicken Lettern unter seinem Spiegelbild. Oder besser noch nur Gerechtigkeit.
Gerechtigkeit!
Ja, das war genau der richtige Slogan.
Daniel Schneider blickte in sein Spiegelbild. Welch Mannsbild doch vor ihm stand. Ein wunderbarer, kraftvoller, energischer, umsetzungsfreudiger, bildschöner Mann. Einer, der alle Frauen haben konnte. Daniel Schneider. Regierungsrat!
Der Chef der Kriminalpolizei Basel-Stadt stand stolz wie ein Pfau vor dem Spiegel. Nur Regierungsrat? Nein, Bundesrat! Das würde er sein. Und dann ab in die EU. Paris, London, Berlin, Madrid. Nie mehr Bauernbratwurst mit Zwiebeln mit Traugott Buser, seinem Pendant aus dem Kanton Basel-Land. Nur noch Truffes royales im Elysée Palast.
Befriedigt ging er zum Schreibtisch zurück. Als er sich setzte, merkte er, wie sein steifer Penis spannte. Er fasste in seine Hose, bog ihn zur Seite.
Nun gut.
Was gab es in der Zwischenzeit zu tun? Es galt, den Mord an einem Mädchen aufzuklären. Doch das konnte warten. Daniel Schneider würde zuerst mit Baumer und Heinzmann abrechnen. Das waren Männer, deren Eltern Handwerker waren. Von dieser Sorte war auch er einmal gewesen. Aber nicht mehr! Diese Arbeiter – Schneider rümpfte die Nase – waren nicht mehr seine Leute! Sie mussten die wenigen Stufen der Karriereleiter, die sie dank harter Arbeit erklommen hatten, wieder hinuntergestoßen werden. Er würde persönlich dafür sorgen. Das war seine Mission. Viel zu sehr erinnerten sie ihn an seinen eigenen Vater. Der war für Schneider auch schon so ein Versager gewesen. Hätte Meister sein können, aber wollte nur Mechaniker sein bei Sulzer, damit er Zeit hatte, seinen kleinen Pflanzblätz zu kultivieren. Ein Stück Pachtland von acht auf acht Metern. Was der Vater sonst noch wollte? Nichts. Nur anständig sein und rechtschaffen und friedlich, und seinem Sohn zu einer guten Ausbildung helfen. Schweizer sein, das genügte ihm.
Das war für Schneider aber zu wenig. In diesen Mief würde er nie wieder zurückgehen. Schweizer Arbeiter mit gutbürgerlichen Werten, wer wollte das im voll globalisierten Basel noch sein, wo man nur ausgelacht wurde, wenn man diese Einstellung heute noch vertrat.
Daniel Schneider merkte mit Genuss, wie eine kalte Wut in ihm hochstieg. Sie kam aus seinen Eingeweiden, ließ das Blut in seinen Adern gefrieren und machte sein Herz unempfindlich. Er genoss dieses Gefühl, denn er wollte Rache für eine enge Kindheit.
Rache.
Schneider nahm den Telefonhörer in die Hand. Er wählte eine Nummer, tippte nervös seine Finger auf die Tischplatte und gab in scharfem Ton seine Anweisungen
Weitere Kostenlose Bücher