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In der Mitte des Lebens

Titel: In der Mitte des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot Käßmann
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eine scherzhafte Ebene einschließt, genauso wie ein tiefgründiges Gespräch über persönliche Fragen. Die Freundschaften mit Frauen sind noch einmal anders, es wird eher über Persönlichesgesprochen. Ich will Frauenfreundschaft keinesfalls glorifizieren. Denn natürlich gibt es Streit, Auseinandersetzungen, Abgrenzungen und manches Mal sogar Brüche und Abbrüche, wenn deutlich wird: Das Maß an Gemeinsamkeit, das wir über Jahre hatten, ist kleiner geworden, es trägt nicht mehr. Das können sehr schmerzliche Prozesse sein. Ich erinnere mich an eine Freundschaft, die ich selbst beendet habe, weil ich gemerkt habe: Wir teilen nichts mehr, wir sehen die Wege der je anderen nur noch mit Zynismus. Es ist besser, auseinanderzugehen, als sich wirklich zu verletzen. Das tut weh, ist aber manchmal notwendig.
    In der Mitte des Lebens lernen wir, alte Freundschaften besonders zu schätzen. Da sind Menschen Wegstrecken mit uns gegangen, die kennen uns in unterschiedlichen Konstellationen, wir vertrauen ihnen. Es ist in diesem Alter ja gar nicht so einfach, neue Freundschaften wachsen zu lassen. Und deshalb ist es ein besonderes Glücksgefühl, eine tiefe innere Freude, wenn spürbar wird: Da keimt eine neue Beziehung heran, was zwischen uns wächst, könnte ein neues Vertrauensverhältnis werden. Ich habe das in den letzten Jahren immer wieder erlebt und sehe solche Freundschaften als besonderes Geschenk an. Gerade weil das Alleinsein und die Einsamkeit in der Mitte des Lebens ein zentrales Thema sind – für Menschen in einer Paarbeziehung, die ja auch nicht das ganze Leben ausfüllt und alle Aspekte eines Menschen umfasst, wie von allein Lebenden –, ist mir deutlich, wie wichtig die Freundschaft ist.
    In der Bibel sind als reine Frauenfreundschaften Noomi mit ihrer Schwiegertochter Ruth (s. S. 100f) zu nennen und Elisabeth und ihre Cousine Maria, die beide gleichzeitig schwanger sind mit ihren Söhnen Johannes und Jesus und sich in dieser Zeit der Erwartung austauschen. Aber da sind eben auch die eingangs genannten Frauen, die gemeinsam am frühen Morgen losgehen, um den toten Jesus zu salben. Sie gehen zusammen. Sie haben davor den Sabbat der Trauer und der Angst, den Freitag der Hinrichtung und des Grauens miteinander erlebt. Und ich kann mir vorstellen,dass sie sich gegenseitig Mut gemacht haben: Doch, wir müssen ihn salben. Wir können ihn doch nicht ungesalbt daliegen und verrotten lassen! Das ist unsere Aufgabe, wir haben ihn schließlich alle gemeinsam die letzten Jahre begleitet. Und so gehen sie: mutige Frauen, denn Angehörige und Unterstützer von Gekreuzigten konnten nach römischem Recht selbst zum Kreuzestod verurteilt werden, da gab es keine Schonung für Frauen.
    Diese Frauen, die sich gegenseitig ermutigen, die ihren Weg, der nicht leicht ist, in Freundschaft gehen und angesichts einer gemeinsamen Aufgabe: Das
     ist ein schönes Bild für Frauen in der Mitte des Lebens, die angstfreier werden und weniger miteinander konkurrieren. Mir wird Freundschaft immer
     wichtiger. Hat sich eine Freundschaft früher eher nebenher eingestellt, so sind Freundschaften heute für mich essenziell, sie tragen und halten mich
     besonders in Krisenzeiten. Es gibt dieses unnachahmliche Lied, das die Comedian Harmonists sangen und auch Heinz Rühmann in dem Film »Die Drei von der
     Tankstelle« 43 1930:

    Ein Freund, ein guter Freund,/ das ist das Schönste was es gibt auf der Welt!/ Ein Freund bleibt immer Freund/ und wenn die ganze Welt zusammenfällt.
    Drum sei auch nicht betrübt,/ wenn dein Schatz dich nicht mehr liebt:/ ein Freund, ein guter Freund,/ das ist das Beste, was es gibt!

    Das gilt sicher auch heute und natürlich auch für eine Freundin. Denn eine Freundin, ein Freund sind auch heute die Ersten, die bei
     Liebeskummer, Eheproblemen, eigener Verzagtheit, tiefen Lebensfragen, beruflichen Weichenstellungen gefragt und gehört werden. Ich habe Freundinnen
     erlebt, die mir in den schwersten Zeiten meines Lebens zur Seite gestanden haben wie Felsen in der Brandung. Und ich habe erlebt, wie ich selbst für
     Freundinnen in schwierigster Lage solche »Felsenfunktion« übernehmen konnte. Wirkliche Freundschaft ist nie einseitig belastet, sondern gleicht sich aus
     im Geben und Nehmen über die Jahre.
    In der Mitte des Lebens gilt es deshalb, die Freundschaft zu pflegen, einander zu begleiten und gemeinsame Pläne zu schmieden. Dabei
     können sich auch lustige Zusammenhänge ergeben: Ich war 2007 auf der

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