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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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schiefgelaufen war – vielleicht hatte ihn seine Frau verlassen, vielleicht war jemand gestorben, der ihm nahestand –, doch etwas nagte an ihm, das ihm die Tatkraft, ja, die Selbstgewissheit raubte.
    »Haben Sie’s schon gehört?«, fragte er. »Die Perez-Fabrik muss schließen.«
    »Verdammt«, sagte Joe. »Wie viele Leute arbeiten dort? Um die vierhundert?«
    »Fünfhundert. Fünfhundert Menschen, die jetzt auf der Straße stehen und selbst als Heizer in der Hölle anheuern würden. Nur, dass heutzutage selbst der Teufel niemanden einstellt. Will heißen, dass es noch mehr Säufer, noch mehr Schlägereien und Überfälle geben wird. Tolle Aussichten, was meinen Job angeht. Aber wenigstens habe ich einen.«
    »Und Jeb Paul macht seinen Kurzwarenladen dicht«, sagte Joe.
    »Ja. Das Geschäft gehörte seiner Familie schon, als unsere Stadt noch gar keinen Namen hatte.«
    »Jammerschade.«
    »Eine Schande ist das.«
    Sie nippten an ihren Kaffees, und im selben Augenblick kam RD Pruitt hereingeschlendert. Er trug einen braunen Knickerbocker-Anzug mit breiten Jackenaufschlägen, eine weiße Golfmütze und zweifarbige Oxfords, als wäre er gerade unterwegs zum nächsten Loch, und ließ einen Zahnstocher über seine Unterlippe wandern.
    Kaum hatte er sich gesetzt, erkannte Joe etwas klar und deutlich – die nackte Angst, die sich in seinem Gesicht spiegelte. Sie flackerte in seinem Blick, quoll ihm förmlich aus jeder Pore. Die meisten Menschen konnten diese Angst nicht erkennen, weil sie ihre Fassade – Hass und Geifer – mit Wut verwechselten. Doch Joe war in Charlestown nur allzu oft damit in Berührung gekommen und hatte dabei entdeckt, dass die größten Bestien gleichzeitig auch am meisten Angst hatten. Davor, als Feiglinge entlarvt, oder, schlimmer noch, zum Opfer anderer, von derselben Angst getriebener Scheusale zu werden. Sie fürchteten ununterbrochen, dass ihre Brutalität immer maßloser ausufern würde, dass irgendein anderes Ungeheuer ihre Macht brechen würde. Und diese Furcht huschte wie Quecksilber durch ihre Augen; wenn man sie nicht sofort wahrnahm, bekam man keine zweite Chance. In jenem ersten Moment jedoch, wenn sie noch nicht genau wussten, woran sie waren, konnte man das Tier namens Angst genau erkennen, auch wenn es sich in derselben Sekunde bereits wieder in seine Höhle zurückzog. Und es traf Joe bis ins Mark, als er sah, dass es bei RD Pruitt die Ausmaße eines monströsen Keilers hatte – was bedeutete, dass der Dreckskerl doppelt so skrupellos und unberechenbar war, weil ihm der Arsch doppelt so sehr auf Grundeis ging.
    Joe streckte ihm die Hand entgegen.
    RD schüttelte den Kopf. »Sie glauben doch wohl nicht ernstlich, dass ich einem Papisten die Hand schütteln würde.« Er grinste. »Nichts für ungut.«
    »Keine Ursache.« Joe hielt ihm weiter die Hand hin. »Würde es etwas bringen, wenn ich Ihnen sage, dass ich so gut wie nie zur Kirche gehe?«
    RD kicherte in sich hinein und schüttelte abermals den Kopf.
    Joe ließ die Hand sinken und lehnte sich zurück.
    Chief Figgis sagte: »Tja, RD , wie man hört, kannst du nicht von deinen alten Gewohnheiten lassen.«
    RD sah seinen Schwager mit großen Augen an. »Wer behauptet denn so was?«
    »Es heißt, du hättest ein paar Läden überfallen«, sagte der Chief.
    »Was denn für Läden?«
    »Speakeasys.«
    »Was?« Urplötzlich verengten sich RD s Augen. »Diese Etablissements, um die jeder gesetzestreue Bürger einen großen Bogen machen würde?«
    »Genau.«
    »Diese illegalen Saufbuden? Die allesamt geschlossen gehören?«
    »Du hast’s erfasst«, sagte Chief Figgis.
    RD setzte wieder seine Unschuldsmiene auf. »Also, davon weiß ich nichts, Ehrenwort.«
    Joe und Figgis wechselten einen kurzen Blick, und Joe hatte das Gefühl, dass der Chief am liebsten genauso tief geseufzt hätte wie er selbst.
    »Ha-ha«, sagte RD . »Ha-ha.« Er richtete den Zeigefinger auf sie. »Bloß ein kleiner Scherz am Rande. Habt ihr schon mitgekriegt, was?«
    Chief Figgis deutete mit dem Kinn zu Joe hinüber. » RD , Mr.   Coughlin möchte dir ein Geschäft vorschlagen. Ich würde dir raten, sein Angebot anzunehmen.«
    RD sah Joe an. »Sie haben’s auch mitbekommen, oder?«
    »Ja.«
    »Ich meine, kapiert?«
    »Klar«, sagte Joe.
    »Gut, gut.« Er griente den Chief an. »Er hat’s kapiert.«
    »Schön«, sagte Figgis. »Dann können wir jetzt ja in aller Freundschaft miteinander reden.«
    RD verdrehte spielerisch die Augen. » Das habe ich nicht

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