In der Nacht (German Edition)
Gegend mit schmucken hellen Bungalows, ein paar alten Südstaatenvillen mit prächtigen Veranden und sogar zwei imposanten Stadthäusern aus rötlich braunem Sandstein. Stattliche Eichen säumten die Gehsteige, und die Luft roch nach Gardenien.
»Ich tue das wirklich nicht gern«, sagte Joe.
»Was?«
»Das, wozu Sie mich gerade zwingen.«
»Ich zwinge Sie zu überhaupt nichts, Coughlin.«
»Doch«, sagte Joe leise. »Leider doch.«
Er förderte das erste der Fotos zutage, die in der Innentasche seiner Jacke steckten, und legte es neben den Chief auf die Veranda. Figgis schien instinktiv zu spüren, dass er es sich besser nicht ansehen sollte. Er wandte den Kopf zur Seite und verharrte so für einen langen Augenblick, doch dann überwand er sich. Sein Gesicht wurde schlagartig kalkweiß.
Er sah auf zu Joe, dann erneut auf das Foto, wandte den Blick aber in derselben Sekunde wieder ab.
Und dann versetzte Joe ihm den Todesstoß.
Er legte ein zweites Foto neben das erste. »Sie hat es nicht nach Hollywood geschafft, Irv. Nur bis L.A. «
Irving Figgis warf nur einen kurzen Blick darauf, doch das reichte bereits aus, um ihm Tränen in die Augen zu treiben. »Das kann nicht sein«, flüsterte er. »Das ist einfach nicht möglich.«
Nun rannen ihm die Tränen über die Wangen. Sein Nacken bebte, während er mit gesenktem Kopf zu schluchzen begann.
Als er sich wieder einigermaßen gefasst hatte, verharrte er in dieser Position, die Hände vor dem Gesicht. Der Hund trottete zu ihm; seine Lefzen zitterten, als er sich neben Figgis legte und den Kopf gegen seinen Oberschenkel drückte.
»Wir haben sie zu einem Arzt gebracht«, sagte Joe.
Figgis nahm die Hände herunter und sah Joe aus rotgeränderten hasserfüllten Augen an. »Zu was für einem Arzt?«
»Einem, der sich mit Heroinsucht auskennt, Irv.«
Der Chief hob den Zeigefinger. »Reden Sie mich nie wieder mit meinem Vornamen an! Für Sie bin ich ab jetzt ausschließlich Chief Figgis, und das bis ans Ende Ihrer Tage! Haben Sie mich verstanden?«
»Wir haben ihr das nicht angetan«, sagte Joe. »Wir haben sie nur aufgespürt. Und glauben Sie mir, es war kein schöner Ort, an dem wir sie gefunden haben.«
»Und jetzt profitiert ihr davon.« Figgis deutete auf das Bild, auf dem seine Tochter, mit Ketten und einem Halseisen gefesselt, mit drei Männern zu sehen war. »Ihr Schweinehunde schreckt vor nichts zurück. Egal, ob es sich um meine Tochter oder irgendein anderes Mädchen handelt.«
»Da irren Sie sich«, sagte Joe, obwohl ihm bewusst war, wie lahm er klang. »Ich verkaufe bloß Rum.«
Figgis wischte sich die Augen erst mit den Handballen, dann mit den Handrücken. »Und mit den Gewinnen finanziert ihr eure anderen Geschäfte. Hören Sie schon auf, mir etwas vorzumachen. Nennen Sie Ihren Preis.«
»Was?«
»Ihren Preis. Was auch immer Sie von mir fordern.« Er hob den Blick. »Sagen Sie mir, wo sie ist.«
»Bei einem guten Arzt.«
Figgis schlug mit der Faust gegen das Verandageländer.
»In einer anständigen Klinik.«
Figgis ließ die Faust auf die Dielen niedersausen.
»Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Es sei denn?«
Joe blickte ihn nur wortlos an.
Schließlich erhob sich Figgis. Der Hund folgte ihm, als er durch die Fliegentür trat, und kurz darauf hörte Joe, wie er eine Nummer wählte. Als er in den Hörer sprach, klang seine Stimme höher und rauher als sonst. » RD , du triffst dich noch mal mit dem Typen. Keine Diskussion, ich will jetzt nichts mehr hören.«
Joe steckte sich eine Zigarette an. Von der Howard Avenue ein paar Straßen weiter drang lautes Hupen herüber.
»Ja«, sagte Figgis. »Ich werde auch dabei sein.«
Joe klaubte einen Tabakkrümel von seiner Zunge und schnippte ihn in die leichte Brise.
»Dir wird kein Haar gekrümmt. Mein Wort darauf.«
Figgis legte auf. Eine ganze Weile verharrte er hinter dem Fliegengitter, ehe er schließlich die Tür aufstieß und wieder auf die Veranda trat.
»Heute Abend um zehn auf Longboat Key. Dort, wo das Ritz steht. Sie sollen allein kommen.«
»Okay.«
»Wo ist meine Tochter?«
»Das sage ich Ihnen, wenn ich das Treffen mit RD überlebe.«
Joe ging zu seinem Wagen.
»Tun Sie’s selbst.«
Er warf einen Blick zurück. »Was?«
»Seien Sie Manns genug, selbst abzudrücken. Andere erledigen zu lassen, was man selbst nicht fertigbringt, ist wahrhaft kein Ruhmesblatt.«
»Was ist das schon?«, sagte Joe.
»Wenn ich morgens aufstehe«, sagte Figgis, »kann ich getrost in
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