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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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wie Sie wollen. Ist das ein Angebot?«
    Turner John blinzelte zustimmend.
    »Aber Hillsborough und Pinellas County sind künftig für Sie tabu. Und dasselbe gilt auch für Sarasota. Sind wir uns da einig, Turner John?«
    Turner John blinzelte abermals.
    »Ich will es hören«, sagte Joe.
    »Einverstanden«, sagte Turner John. »Mein Wort darauf.«
    Joe nickte. »Und was denkt Ihr Vater jetzt?«
    Turner John ließ den Blick über den Lauf des Derringers wandern und sah Joe in die Augen. »Dass er verdammt Glück gehabt hat, sich nicht so bald wieder mein Schnarchen anhören zu müssen.«
    Während Joe weiter alles daransetzte, um die Legalisierung des Glücksspiels voranzutreiben und das Hotel zu erwerben, kümmerte sich Graciela um Obdach für vaterlose Kinder und verlassene Frauen. Die Wirtschaftslage war so schlecht, dass ganze Armeen von Männern ihre Familien im Stich ließen – eine nationale Schande ohnegleichen. In Scharen kehrten sie den Elendsvierteln, ihren schäbigen Häusern oder im Falle Tampas den Bretterbuden und Baracken, die von den Einheimischen casitas genannt wurden, den Rücken, verabschiedeten sich unter dem Vorwand, Milch holen, eine Zigarette schnorren oder irgendwo für einen Job anstehen zu wollen, und kamen nie wieder. Ohne den Schutz ihrer Männer liefen viele Frauen Gefahr, vergewaltigt oder zur Prostitution gezwungen zu werden. Und die Kinder, plötzlich vater- und manchmal auch mutterlos, fristeten ihr Dasein auf der Straße, einem ungewissen Schicksal ausgeliefert.
    Als Joe sich eines Abends gerade in der Wanne entspannte, gesellte sich Graciela mit zwei Tassen Kaffee zu ihm. Sie zog sich aus, glitt ihm gegenüber ins Wasser und fragte ihn, ob sie seinen Namen annehmen könne.
    »Du willst mich heiraten?«
    »Nicht kirchlich. Du weißt, dass das nicht geht.«
    »Okay.«
    »Aber wir sind Mann und Frau, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Und deshalb möchte ich deinen Namen tragen.«
    »Graciela Dominga Maela Rosario Maria Concetta Corrales Coughlin?«
    Sie verpasste ihm einen Klaps auf den Arm. »So viele Namen habe ich gar nicht.«
    Er beugte sich zu ihr, küsste sie und lehnte sich wieder zurück. »Graciela Coughlin?«
    »Sí.«
    »Es wäre mir eine Ehre«, sagte er.
    »Gut«, sagte sie. »Übrigens, ich habe ein paar Häuser gekauft.«
    »Ein paar?«
    Ihr Blick war so unschuldig wie der eines Rehs. »Drei, um genau zu sein. Die kleine Häuserzeile neben der alten Perez-Fabrik.«
    »In der Palm Avenue?«
    Sie nickte. »Ich möchte dort ein Asyl für Mütter und Kinder einrichten.«
    Joe war alles andere als überrascht. In letzter Zeit gab es für Graciela kaum ein anderes Thema mehr.
    »Und was ist mit Kuba? Eurer Revolution?«
    »Ich habe mich in dich verliebt.«
    »Und?«
    »Du schränkst meine Bewegungsfreiheit ein.«
    Er lachte. »So schlimm?«
    »Schlimmer.« Sie lächelte. »Was wir vorhaben, könnte funktionieren. Vielleicht profitieren wir sogar irgendwann davon, und dann dient es auch dem Rest der Welt als Vorbild.«
    Graciela träumte von einer Bodenreform, von Rechten für die Bauern und einer fairen Umverteilung des Reichtums. Im Wesentlichen ging es ihr um Gerechtigkeit, doch wie Joe es sah, waren die Gerechten bereits ausgestorben, bevor die Menschheit das Feuer entdeckt hatte.
    »Nichts kann Vorbild für den Rest der Welt sein.«
    »Stell es dir doch einfach mal vor«, gab sie zurück. »Eine gerechte Welt.« Sie schnippte ein bisschen Schaum in seine Richtung, als würde sie es gar nicht so ernst meinen, doch er wusste genau, dass sie in dieser Hinsicht keine halben Sachen machte.
    »Du meinst eine Welt, in der sich alle darauf beschränken, was sie zum Leben brauchen, und fröhlich Lieder von Friede, Freude, Eierkuchen singen?«
    »Du weißt genau, was ich meine. Eine bessere Welt – warum soll das nicht möglich sein?«
    »Habgier.« Er deutete quer durch das Bad. »Du siehst doch, wie wir selbst leben.«
    »Aber du gibst eben auch. Letztes Jahr hast du der Gonzalez-Klinik ein Viertel unseres Vermögens gespendet.«
    »Die Ärzte haben mir das Leben gerettet.«
    »Und vorletztes Jahr hast du eine Bibliothek aufgebaut.«
    »Damit ich was zu lesen habe.«
    »Aber dort gibt’s doch nur spanische Bücher.«
    »Was glaubst du denn, wie ich eure Sprache gelernt habe?«
    Sie legte einen Fuß an seine Schulter, und er hauchte einen Kuss über ihren Spann, während ihn, wie so oft in letzter Zeit, ein Gefühl des vollkommenen inneren Friedens durchströmte. In einer Million

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