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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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neugierig. »Sag etwas.«
    »Danke«, sagte er, weil ihm beim besten Willen nichts anderes einfiel.
    »Danke?« Sie lachte und presste ihre Lippen abermals stürmisch auf die seinen. »Danke?«
    »Du wirst eine hinreißende Mutter.«
    Sie legte den Kopf an seine Stirn. »Und du ein wunderbarer Vater.«
    Wenn ich dann noch lebe, dachte er.
    Und eins war ihm klar. Dass sie dasselbe dachte.
    Und so stand er ein wenig neben sich, als er an jenem Morgen Ninos Café betrat. Weshalb er auch vergaß, zuvor einen Blick durch die Fensterscheibe zu werfen.
    Es gab nur drei Tische – eine Schande für einen Laden, in dem so exzellenter Kaffee serviert wurde –, und zwei waren von Mitgliedern des Klans besetzt. Ein Außenstehender hätte sie wohl kaum als solche erkannt, doch Joe war mit ihren Gesichtern vertraut, auch wenn sie es normalerweise vorzogen, Kapuzen zu tragen. An dem einen Tisch saßen Clement Dover, Drew Altman und Brewster Engals, gerissene Burschen, die zur älteren Garde gehörten, an dem anderen Julius Stanton, Haley Lewis, Carl Joe Crewson und Charlie Bailey, allesamt Dumpfbacken reinsten Wassers, die sich bei dem Versuch, ein Kreuz in Brand zu stecken, allenfalls selbst abgefackelt hätten. Davon abgesehen waren sie roh, niederträchtig und brutal, wie so viele Kretins, denen auch das allerletzte Fünkchen Geist abging.
    Doch als er über die Schwelle getreten war, wusste Joe, dass es sich nicht um einen Hinterhalt handelte. Er sah an ihren Blicken, dass sie ihn nicht erwartet hatten. Sie waren nur hier, um Kaffee zu trinken, vielleicht auch, um die Inhaber des Cafés einzuschüchtern und ihnen Schutzgeld abzupressen. Sal stand direkt vor der Tür, aber draußen war eben nicht dasselbe wie drinnen. Joe schlug seine Jacke zurück und ließ die Hand an seiner Hüfte ruhen, drei Zentimeter von seiner Waffe entfernt, während er den Blick auf Engals richtete, den Anführer des Packs, der sonst als Brandmeister bei der Feuerwehrbrigade 9 in Lutz Junction tätig war.
    Engals nickte. Ein schmales Lächeln verzog seine Lippen, während er etwas hinter Joe ins Auge fasste. Als Joe den Kopf wandte, erblickte er Loretta Figgis, die an dem dritten Tisch am Fenster saß und sie beobachtete. Joe nahm die Hand von der Hüfte. Niemand würde es auf eine Schießerei ankommen lassen, wenn die Madonna von Tampa anderthalb Meter entfernt war.
    Joe nickte ebenfalls, und Engals sagte: »Dann auf ein andermal.«
    Joe tippte sich an den Hut und wollte gerade gehen, als Loretta sagte: »Mr.   Coughlin, setzen Sie sich doch.«
    »Danke, Miss Loretta«, sagte Joe. »Aber genießen Sie lieber den friedlichen Morgen. Ich will Sie wirklich nicht behelligen.«
    »Ich bestehe darauf«, sagte sie, während Carmen Arenas, die Frau des Inhabers, an den Tisch trat.
    Joe zuckte mit den Schultern und nahm den Hut ab. »Das Übliche, Carmen.«
    »Gern, Mr.   Coughlin. Miss Figgis?«
    »Noch einen Kaffee, bitte.«
    Joe setzte sich und plazierte den Hut auf seinen Knien.
    »Mögen diese Gentlemen Sie nicht, Mr.   Coughlin?«, fragte Loretta.
    Joe fiel auf, dass sie heute nicht Weiß trug. Ihr Kleid hatte einen zarten Pfirsichton. Bei den meisten anderen Frauen hätte er das wahrscheinlich gar nicht bemerkt, doch ihre blütenweißen Gewänder waren so sehr zum Inbegriff Lorettas geworden, dass es ihm ein bisschen so vorkam, als würde er sie plötzlich nackt vor sich sehen.
    »Zum Sonntagsbraten werden sie mich jedenfalls so schnell nicht einladen«, sagte Joe.
    »Warum?« Sie beugte sich vor, während Carmen den Kaffee brachte.
    »Ich verkehre mit Farbigen, arbeite mit Farbigen, verbünde mich mit Farbigen.« Er warf einen Blick über die Schulter. »Habe ich was vergessen, Engals?«
    »Davon abgesehen, dass Sie vier von unseren Männern auf dem Gewissen haben?«
    Joe nickte dankend und wandte sich wieder zu Loretta. »Oh, und anscheinend glauben sie, dass ich vier von ihren Kumpels umgelegt habe.«
    »Stimmt das denn?«
    »Sie haben ja heute gar kein weißes Kleid an«, sagte er.
    »Es ist fast weiß«, sagte sie.
    »Und was werden Ihre…« – ihm fiel kein besseres Wort ein – »…Jünger dazu sagen?«
    »Ich weiß es nicht, Mr.   Coughlin.« Nicht der kleinste Unterton von falscher Bescheidenheit schwang in ihrer Stimme mit, und nicht ein Hauch überlegener Gleichmut stand in ihren Augen.
    Die Klan-Burschen standen auf und verließen das Café, wobei jeder Einzelne von ihnen Joe im Vorübergehen anrempelte oder ihm gegen den Fuß

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