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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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beruhigen. Während Digger sich wieder zurücksinken ließ, richtete Maso den Blick erneut auf Joe. »Wir könnten dich durchaus gebrauchen, Joseph. Könnten . Aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass es dir ein wenig an Dankbarkeit mangelt.«
    »Ach ja? Und Ihnen?«
    Diesmal ließ Maso seine Hand auf Joes Knie ruhen und drückte es sanft. »Du arbeitest für mich. Nicht für dich selbst und auch nicht für die Latinos und Nigger, mit denen du dich umgibst. Wenn ich will, dass du meine verschissene Toilette putzt – na, rate mal, was du dann tust?« Er lächelte, während seine Stimme kein bisschen weniger gütig klang als zuvor. »Das Leben deiner kleinen Schlampe liegt in meiner Hand, und wenn es mir gefällt, brenne ich dein Haus morgen bis auf die Grundmauern nieder, und das weißt du auch, Joseph. Deine Augen sind mittlerweile größer als dein Mund, das ist alles. Du bist auch nicht der Erste, dem das passiert.« Maso hob die Hand und tätschelte Joes Wange. »Also, steigst du als Capodecina ein? Oder willst du lieber meine Toilette am großen Dünnschisstag schrubben? Ich nehme deine Bewerbung jederzeit gern entgegen.«
    Wenn Joe schnell reagierte, blieben ihm ein paar Tage Vorsprung, um seine Truppen zusammenzuziehen, mit seinen Kontakten zu reden und seine Schachfiguren entsprechend aufzustellen. Während Maso und seine Gorillas zurück auf dem Weg nach Boston waren, würde er nach New York fliegen, mit Lucky Luciano persönlich sprechen, ihm seine Bilanzen vorlegen und ihm auseinandersetzen, was für Verluste er mit einem Volltrottel wie Digger Pescatore einfahren würde. Und die Chancen standen ziemlich gut, dass sich Lucky einsichtig zeigen würde und sie die Sache ohne großes Blutvergießen beenden konnten.
    »Capodecina«, sagte Joe.
    »Ah«, sagte Maso mit breitem Lächeln. »Bist ein guter Junge.« Er kniff Joe in beide Wangen. »Guter, guter Junge.«
    Er erhob sich aus seinem Sessel, und Joe tat es ihm gleich. Sie schüttelten sich die Hände, und dann küsste Maso ihn auf beide Wangen, an genau den Stellen, in die er eben noch hineingekniffen hatte.
    Joe reichte Digger die Hand – er freue sich schon auf ihre Zusammenarbeit.
    »Zusammen?«, erwiderte Digger. »Du arbeitest für mich.«
    »Schon klar«, sagte Joe. »Sowieso.«
    Dann war er auch schon auf dem Weg zur Tür.
    »Wollen wir zusammen zu Abend essen?«, ertönte Masos Stimme hinter ihm.
    Joe hielt inne. »Gern. Um neun im Tropicale?«
    »Klingt gut.«
    »Okay. Ich reserviere uns den besten Tisch.«
    »Hervorragend«, sagte Maso. »Und sieh zu, dass er bis dahin tot ist.«
    »Was?« Joe nahm die Hand vom Türknauf. »Wer?«
    »Dein Freund.« Maso schenkte sich noch ein Tässchen Kaffee ein. »Der Dicke.«
    »Dion?«
    Maso nickte.
    »Wieso?«, fragte Joe. »Er hat doch überhaupt nichts getan.«
    Maso sah zu ihm auf.
    »Habe ich irgendwas nicht mitbekommen?«, fragte Joe. »Er ist einer unserer besten Männer, hundert Prozent zuverlässig.«
    »Er ist eine Ratte«, gab Maso zurück. »Vor sechs Jahren hat er dich an die Bullen verpfiffen. Was heißt, dass er es wieder tun wird, ob nun in sechs Minuten oder in sechs Monaten. Und eine Ratte kann nicht für meinen Sohn arbeiten.«
    »Nein«, sagte Joe.
    »Nein?«
    »Er hat mich nicht verpfiffen. Es war sein Bruder, und das habe ich Ihnen auch erzählt.«
    »Tja, was so alles erzählt wird, Joseph. Du hast mich damals belogen. Aber eine Lüge ist keine, nicht wahr?« Er hielt einen Zeigefinger in die Höhe, während er ein wenig Milch in seinen Kaffee gab. »Wie auch immer, du erledigst den Dreckskerl. Und zwar, bevor ich mich zum Abendessen umziehe.«
     »Hören Sie mir zu, Maso«, sagte Joe. »Es war sein Bruder, das weiß ich genau.«
    »Wirklich?«
    »Definitiv.«
    »Du lügst mich nicht an?«
    »Wie käme ich dazu?«
    »Du weißt, was dir sonst blüht?«
    Teufel auch, dachte Joe. Du kommst hier runter, um deinen nichtsnutzigen Sohn an meine Stelle zu setzen, und das reicht dir immer noch nicht?
    »Ja, das weiß ich«, sagte Joe.
    »Du bleibst also bei deiner Geschichte.« Maso ließ einen Zuckerwürfel in seine Tasse fallen.
    »Ich bleibe dabei, weil es keine Geschichte ist. Sondern die Wahrheit.«
    »Und nichts als die Wahrheit, hmm?«
    Joe nickte.
    »Nichts als die Wahrheit.«
    Traurig schüttelte Maso den Kopf, während Joe hörte, wie die Tür hinter ihm geöffnet wurde. Und dann trat Albert White ein.

24
    Das Ende vom Lied
    Zuerst fiel Joe auf, wie stark Albert White in

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