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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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kam.
    »Charlie will, dass die Führungsposten mit Italienern besetzt werden. Ausnahmslos mit Italienern.«
    Maso hatte recht – das war tatsächlich der Gipfel der Ironie. Alle Welt wusste, dass Lucky, egal, wie smart er auch sein mochte – und er war verdammt smart, gar keine Frage –, ohne Meyer Lansky bloß ein Nichts gewesen wäre. Lansky, ein Jude von der Lower East Side, hatte entscheidenden Anteil daran gehabt, einen Haufen unabhängig voneinander operierender Kleinbetriebe zu einem Großunternehmen zu fusionieren.
    Doch Joe hatte gar kein Interesse daran, nach ganz oben aufzurücken. Er war völlig zufrieden mit seinem kleinen Imperium.
    Und genau das sagte er Maso auch.
    »Du bist viel zu bescheiden«, gab Maso zurück.
    »Ganz und gar nicht. Ich kontrolliere Ybor. Und das gesamte Rumgeschäft hier in der Gegend, auch wenn damit bald Schluss ist, wie du ja schon sagtest.«
    »Du kontrollierst weit mehr als Ybor oder Tampa, Joseph, und inzwischen haben das auch alle mitgekriegt. Du kontrollierst die gesamte Golfküste von hier bis Biloxi. Du kontrollierst die Transportrouten von hier bis Jacksonville und die Hälfte aller Strecken in den Norden. Ich habe mir unsere Geschäftsbücher genau angesehen. Unglaublich, was du zustande gebracht hast. Mittlerweile beherrschen wir so ziemlich alles.«
    Und das ist jetzt der Dank?, hätte Joe am liebsten gefragt. Stattdessen sagte er: »Ich darf also meinen Hut nehmen, weil Charlie keine Iren an der Spitze wünscht. Und welchen Job soll ich dann übernehmen?«
    »In Zukunft sag ich dir an, was du machst«, ließ sich Digger vernehmen, während er die klebrigen Orangenfinger an den Armlehnen abwischte.
    »Du wirst Consigliere «, sagte Maso . »Du weist Digger in seine neuen Aufgaben ein, machst ihn mit deinen Kontakten bekannt, und vielleicht kannst du ihn ja mal zum Golfen oder Angeln mitnehmen.«
    Digger fixierte Joe mit seinen stecknadelkopfgroßen Pupillen. »Meine Schuhe kann ich mir schon selber binden.«
    Aber du musst erst mal drüber nachdenken, wieʼs geht, dachte Joe.
    Maso klopfte Joe aufs Knie. »Allerdings würde es einen kleinen Schnitt bedeuten, finanziell, meine ich. Aber keine Sorge, wenn der Sommer vorbei ist, kontrollieren wir auch den Hafen, und da gibt’s jede Menge zu tun, garantiert.«
    Joe nickte. »Von was für einem Schnitt sprechen wir?«
    »Digger übernimmt deinen Anteil«, sagte Maso. »Du stellst dir eine eigene Mannschaft zusammen und arbeitest wieder eigenständig, abzüglich unserer Prozente natürlich.«
    Joe sah zu den Fenstern hinüber. Zuerst zu denen in Richtung Gasse, dann auf die Bucht. Langsam zählte er bis zehn. »Sie wollen mich zum Capodecina degradieren?«
    Abermals tätschelte Maso sein Knie. »Die Posten werden neu verteilt, Joseph. Auf Charlie Lucianos Geheiß.«
    »Charlie hat also gesagt: ›Joe Coughlin in Tampa wird seiner Aufgaben entbunden.‹«
    »Er hat gesagt, dass er nur noch Italiener an der Spitze will.« Maso klang immer noch milde, wohlwollend sogar, doch Joe hörte genau, dass sich leiser Unmut in seinen Tonfall schlich.
    Er hielt einen Augenblick inne, um selbst keinen falschen Ton anzuschlagen, da er genau wusste, wie schnell sich Maso vom gütigen alten Herrn in einen rasenden Kannibalen verwandeln konnte.
    »Digger ist genau der richtige Mann, um hier das Zepter zu übernehmen«, sagte er dann. »Wenn wir beide das hier in die Hand nehmen, gehört uns bald der ganze Staat Florida, und Kuba reißen wir uns nebenbei noch mit unter den Nagel – da habe ich durchaus die nötigen Verbindungen. Aber mein Anteil muss in etwa derselbe bleiben. Als Capodecina mache ich nicht mal ein Zehntel dessen, was ich jetzt habe, mal ganz abgesehen davon, dass ich mich künftig damit herumärgern soll, irgendwelche Gewerkschaftler und Fabrikbesitzer auf Linie zu bringen?«
    »Tja, vielleicht geht’s ja genau darum.« Digger grinste so breit, dass Joe ein Stück Orange erkennen konnte, das zwischen seinen Schneidezähnen steckte. »Schon mal daran gedacht, du Blitzmerker?«
    Joe sah Maso an.
    Maso starrte unverwandt zurück.
    »Ich habe all das aufgebaut.«
    Maso nickte.
    »Ich habe aus diesem Kaff elfmal soviel Kohle herausgeholt wie Lou Ormino vor mir – schon vergessen?«
    »Weil ich dich auf seinen Sessel gesetzt habe«, sagte Maso.
    »Weil Sie mich brauchten.«
    »He, Blitzmerker«, sagte Digger. » Niemand braucht dich.«
    Der Alte machte eine beschwichtigende Geste, als wolle er einen kläffenden Köter

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