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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Zehen, Fersen, Knöchel. Der Druck war so stark, dass er ihm die Füße zu brechen drohte.
    Er versuchte, Alberts Blick auf seine linke Innentasche zu lenken.
    »Hoch mit ihm«, sagte Albert.
    »Nein«, versuchte Joe hervorzupressen. »Sieh in meine Tasche.«
    »Mmmm! Mmmm! Mmmm!«, äffte Albert ihn nach. »Zeig mal ein bisschen Rückgrat, Coughlin. Hör auf zu betteln.«
    Sie machten das Seil von Joes Brust los. Gino Valocco nahm eine Säge zur Hand, kniete sich neben ihn und machte sich daran, die vorderen Stuhlbeine über dem Zement abzusägen.
    »Albert«, nuschelte er durch das Klebeband. »Sieh in die Tasche. Die Tasche. Die Tasche.« Jedes Mal, wenn er Tasche sagte, verdrehte er Augen und Kopf in die entsprechende Richtung.
    Albert lachte, äffte ihn weiter nach, und jetzt machten auch die anderen mit. Fausto Scarpone stieß sogar ein paar Grunzlaute aus und kratzte sich unter den Armen, während er den Kopf immer wieder nach links zucken ließ.
    Dann hatte Gino das linke Stuhlbein abgesägt und nahm sich das rechte vor.
    »Die Handschellen haben eine Stange Geld gekostet«, sagte Albert zu Ilario Nobile. »Nimm sie ihm ab. Der läuft uns sowieso nicht davon.«
    Doch Joe spürte, dass Albert angebissen hatte. Er wollte in Joes Tasche sehen, ohne dabei den Anschein zu erwecken, dass er sich auf das Gebettel seines Opfers einließ.
    Ilario schloss die Handschellen auf und warf sie Albert vor die Füße, da es der Pescatore-Mann offenbar unter seiner Würde fand, sie ihm in die Hand zu drücken.
    Das rechte Stuhlbein löste sich von der Sitzfläche. Sie zogen Joe den Rest des Stuhl unter dem Hintern weg, so dass er nun aufrecht in der Zementwanne stand.
    »Eine Handbewegung hast du frei«, sagte Albert. »Entweder reißt du dir das Klebeband vom Mund, oder du zeigst mir, womit du dir dein erbärmliches Leben erkaufen willst. Du kannst es dir aussuchen.«
    Joe zögerte keine Sekunde. Er griff in seine Tasche. Er zog das Foto hervor und ließ es zu Boden segeln.
    Albert bückte sich, um es aufzuheben, und im selben Augenblick erschien ein Punkt über seiner linken Schulter, gleich hinter Egmont Key. Albert betrachtete das Bild mit hochgezogener Augenbraue und süffisantem Lächeln, vermochte jedoch nichts Besonderes daran zu finden. Sein Blick wanderte erst nach links, dann langsam wieder nach rechts, ehe er urplötzlich innehielt.
    Aus dem Punkt über der glasgrauen Wasseroberfläche wurde ein dunkles Dreieck, das sich ihnen rasch näherte.
    Albert sah Joe an. In seinem Blick spiegelte sich kalte Wut. Und zwar nicht, weil er Joe auf den Leim gegangen war. Sondern weil er es ebenso wenig geahnt hatte wie Joe.
    Auch er hatte sie all die Jahre für tot gehalten.
    Verdammt, Albert , hätte Joe am liebsten gesagt. Sie hat uns beide hinters Licht geführt.
    Er wusste genau, dass Albert sein Lächeln sehen konnte – trotz des Klebebands über seinem Mund.
    Das dunkle Dreieck war jetzt deutlich als Boot zu erkennen. Ein klassisches Schnellboot, dessen Heck so umgebaut worden war, dass darin zusätzliche Passagiere oder Kisten Platz fanden. Obwohl sich sein Tempo dadurch um ein Drittel verringerte, war es immer noch schneller als alles, was sich sonst auf dem Wasser bewegte. Einige der Männer an Deck des Schleppers stießen sich gegenseitig an und zeigten mit dem Finger darauf.
    Albert riss Joe das Klebeband vom Mund.
    Motorengeräusch drang zu ihnen herüber. Ein lautes Summen, das sich wie ein Wespenschwarm anhörte.
    Albert hielt Joe das Foto unter die Nase. »Sie ist tot.«
    »Also, für mich sieht sie quicklebendig aus.«
    »Wo ist sie?« Alberts Stimme klang so rauh, dass mehrere Männer den Kopf wandten.
    »Na, siehst du doch. Auf dem verdammten Foto.«
    »Wo ist das aufgenommen worden? Raus mit der Sprache.«
    »Klar doch«, sagte Joe. »Und dann passiert mir bestimmt auch nichts.«
    Albert donnerte ihm beide Fäuste auf die Ohren, und alles um Joe herum begann, sich zu drehen.
    Gino Valocco rief etwas auf Italienisch und zeigte nach steuerbord.
    Hinter einer etwa vierhundert Meter entfernten Landzunge war ein weiteres Schnellboot aufgetaucht.«
    »Wo ist sie?«
    Joes Ohren klingelten wie tausend Zimbeln. Er schüttelte ein paarmal den Kopf.
    »Ich würde es dir ja liebend gern sagen«, brachte er dann hervor. »Aber noch lieber wäre ich den Zement an meinen Füßen los.«
    Albert zeigte erst auf das eine, dann auf das andere Boot. »Die können uns gar nichts. Hast du sie noch alle? Wo steckt sie?«
    »Da

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