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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Brenny Loomis, seiner rechten Hand. Loomis sah Joe direkt in die Augen, genau wie an jenem frühen Morgen, als er vom Boden der Spielhölle zu ihm aufgeblickt hatte.
    Joes Herz schien sich um eine eiskalte Messerklinge zu krampfen. Und setzte dann einen Moment lang ganz aus.
    »Du bist Joe, nicht wahr?«, sagte Albert White.
    Joe zwang sich aus seiner Starre und ergriff Alberts ausgestreckte Hand. »Ja, Joe Coughlin. Sehr erfreut.«
    Albert bewegte Joes Hand auf und ab, als würde er einen Pumpenschwengel betätigen. »Schön, dich persönlich kennenzulernen, Joe.«
    »Ja, Sir.«
    »Und das ist Brendan Loomis«, sagte Albert. »Ein Freund von mir.«
     Schraubstockgleich schloss sich Loomis’ Hand um Joes Finger, während er den Kopf schieflegte und Joe weiter unablässig mit seinen kleinen braunen Augen fixierte. Als er Joes Hand wieder losließ, hätte dieser sie am liebsten erst einmal ausgeschüttelt. Loomis wischte sich die eigene mit einem Seidentaschentuch ab; seine Miene war in etwa so ausdrucksvoll wie ein Felsmassiv. Schließlich wandte er den Blick ab und sah sich im Zimmer um, als hätte er bereits einen neuen Verwendungszweck im Sinn. Es ging die Rede, dass er gut mit einer Kanone und noch besser mit dem Messer umgehen konnte, doch die meisten seiner Opfer prügelte er schlicht und einfach zu Tode.
    »Wir kennen uns doch irgendwoher«, sagte Albert.
    Seine Miene ließ definitiv nicht auf Wiedersehensfreude schließen.
    »Nicht, dass ich wüsste«, sagte Joe.
    »Doch, garantiert. Bren’, ist dir der Bursche schon mal über den Weg gelaufen?«
    Brenny Loomis griff nach der Neuner-Kugel und betrachtete sie eingehend. »Nein.«
    Joe verspürte ein so überwältigendes Gefühl der Erleichterung, dass er sich um ein Haar in die Hose gemacht hätte.
    »Ich hab’s!« Albert schnippte mit den Fingern. »Du bist doch manchmal im Shoelace, richtig?«
    »Stimmt«, sagte Joe.
    »Hab ich’s doch gewusst.« Albert klopfte Joe auf die Schulter. »Ich habe den Laden hier übernommen. Du weißt, was das bedeutet?«
    »Nein.«
    »Das bedeutet, dass ich dich bitten muss, dein Zimmer zu räumen.« Er hob den Zeigefinger. »Aber betrachte das bitte nicht als Rauswurf.«
    »Okay.«
    »Es geht nicht um dich, bloß um den Schuppen hier. Damit lässt sich allerhand anfangen.«
    »Unbedingt.«
    Albert legte Joe die Hand auf den Oberarm. Im Licht der Deckenlampen blitzte sein Ehering auf. Er war aus Silber, mit einem keltischen Schlangenmuster und ein paar kleinen Diamanten verziert.
    »Du kannst ja mal überlegen, wie du künftig über die Runden kommen willst. Okay? Ganz in Ruhe, nimm dir Zeit. Aber denk dran – auf eigene Faust arbeiten ist nicht mehr drin. Jedenfalls nicht in dieser Stadt.«
    Joe wandte den Blick von dem Ehering und der Hand auf seinem Arm, sah Albert White in die freundlichen Augen. »Ich habe keinerlei Absicht, auf eigene Faust zu arbeiten, Sir. Mit Tim Hickey bin ich immer gut gefahren.«
    Albert Whites Miene verdüsterte sich einen Moment lag, als sei Tim Hickeys Name in diesen Räumen verpönt, seit er das Kasino übernommen hatte. Er tätschelte Joes Arm. »Weiß ich doch, weiß ich doch. Du hast gute Arbeit geleistet. Ausgezeichnete sogar. Aber wir machen keine Geschäfte mit Außenstehenden, und ein unabhängiger Geschäftspartner ist ein Außenstehender. Wir bauen hier eine erstklassige Mannschaft auf, Joe. Spitzenleute , das kann ich dir garantieren.« Er schenkte sich einen Drink aus einer von Tims Karaffen ein, ohne Joe oder Loomis etwas anzubieten, nahm das Glas mit zum Billardtisch, schwang sich auf die Kante und sah Joe an. »Ich sag’s dir frei heraus: Du bist zu smart für die Schmalspurnummern mit den beiden Spaghettis – so blöd, wie die zwei Itaker sind, werden die keine dreißig. Also, wie sieht’s für dich aus? Du kannst natürlich so weitermachen. Dann hast du keine Verpflichtungen, aber eben auch keine Freunde. Ein Haus, aber kein Zuhause.« Er glitt wieder vom Billardtisch herunter. »Und wenn du kein Zuhause willst, überhaupt kein Problem, mein Wort darauf. Aber innerhalb der Stadtgrenzen läuft für dich dann nichts mehr. Wenn du an der South Shore ein Ding drehen willst, nur zu. Und an der North Shore kannst du’s auch versuchen, immer vorausgesetzt, die Italiener lassen dich am Leben, sobald sie was spitzkriegen. Aber hier…« – er deutete auf den Fußboden – »…ist ein für alle Mal Sense. Die Stadt ist in unserer Hand. Freie Unternehmer gibt’s nicht mehr, nur

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