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In der Stille der Nacht - Thriller

In der Stille der Nacht - Thriller

Titel: In der Stille der Nacht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Mina
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Lenkrad eingelassenen Knöpfe für die Anlage, er hatte sich geschworen, sich auch so einen zu kaufen, wenn das Geld endlich da wäre. Der Anblick beruhigte ihn jetzt und ließ sein Herz, das so schnell wie das eines Sprinters geschlagen hatte, wieder langsamer werden.
    Trotz allem, was passiert war, konnte es noch gut ausgehen. Er kämpfte Tränen nieder und machte sich auf den Weg zurück zum Transporter.

4
    MacKechnie hatte sie zur Strafe hierher gebeten, sie auf dem harten Stuhl im einschläfernden Dämmerlicht des Schlafzimmers Platz nehmen und die bettlägrige Schwiegertochter befragen lassen, die kaum etwas gesehen hatte.
    Morrow konnte durch die Tür die anderen hören, die draußen standen, hinter ihr im Flur, eine fröhliche tuschelnde Bande. Sie nahmen bestimmte Details genauer unter die Lupe, scharten sich um wichtige Informationen, die der Geschichte Konturen verliehen, und sie saß hier, nur um überhaupt beschäftigt zu sein und niemandem im Weg zu stehen.
    Meeshra wirkte angestrengt, schwarze Härchen wuchsen ihr seitlich am Gesicht. Ihr Haar war wild zerzaust und am Hinterkopf, an der Stelle, auf der sie geschlafen hatte, verknotet.
    Die Tür hinter ihnen war aus Gründen der Sittsamkeit geschlossen, während Meeshra ihrem Baby mit ihrer monströsen Brustwarze drohte. Der zwei Wochen alte Säugling krümmte und wand sich, sein verzweifelter zahnloser Mund klammerte sich an Haut und Finger, traf aber die Brust nicht. Sie war zu voll, das wusste Alex, so schwer von der Milch, dass das Baby den Mund nicht darum zu schließen vermochte. Doch der gute Rat kam ihr nicht über die Lippen. Das wäre unangemessen und hätte nur aufdringlich gewirkt.
Es war nicht ihr Job, einer Zeugin so etwas zu sagen, sondern die Aufgabe der Hebamme, die bald vorbeischauen würde.
    »Sie haben mit Pistolen gefuchtelt und geschrien. Auf der Suche nach einem Mann namens Rob. Robbie - ein echter schottischer Name, stimmt’s?«
    Man hörte Meeshras Aussprache immer noch ein bisschen ihre Herkunft aus Lancaster an, doch das Schottische nahm allmählich überhand. Sie lebte seit knapp einem Jahr hier, sagte sie, sei nach der Hochzeit zu den Schwiegereltern gezogen. Sie seien eine glückliche Familie und, an dieser Stelle blinzelte sie, eine wohlhabende, hart arbeitende Familie und sie blinzelte wieder.
    Hinter Alex stand eine Beamtin, die alles mitschrieb, damit Alex besser beobachten konnte. Jeder Mensch hat einen Tick, der auf eine Lüge schließen lässt, und um herauszufinden, welcher Tick dies ist, stellt man am besten Fragen zur Familie.
    Morrow war sicher, dass Meeshra nicht absichtlich die Unwahrheit sagte. Familienmythen und -fabeln entstanden nicht durch bewusste Lügen, sie waren eine Form des Selbstschutzes, der Gesprächskonventionen, der Überzeugungen, die viel zu tief verankert waren, als dass man sie hinterfragen könnte: Sie liebt mich, wir sind glücklich, er wird sich ändern. Aber es gibt immer einen Tick. Das verzweifelte Verlangen der Menschen nach der Wahrheit erstaunte Alex. Im Verhör, wenn sich Unstimmigkeiten abzuzeichnen begannen, brachen die Leute oft zusammen, schluchzten aus dem Bedürfnis heraus, ehrlich sein zu wollen, als sei das Schlimmste, das ihnen überhaupt widerfahren könnte, bei einer Lüge ertappt zu werden. Sie hatte gesehen, wie Männer
sich die Fingernägel in die Handballen gruben, sich die Haut aufschnitten, um ein Ventil zu finden und die Wahrheit doch noch für sich zu behalten. Beharrlichkeit war besonders verräterisch. Nie wieder würde sie jemandem vertrauen, der einen Satz mit »Ehrlich gesagt …« oder »Um die Wahrheit zu sagen …« begann. Diese Floskeln waren wie Flaggen, die der Sprecher über seiner Aussage schwenkte, um die Aufmerksamkeit des beiläufigen Zuhörers abzulenken; hier war mit Unvorhergesehenem zu rechnen.
    Professionelle Lügner dachten sich vorher bereits Ausreden aus und blieben dabei, aber synthetische Erinnerungen waren schwerfällig. Fragte man diese Menschen nach einer Farbe oder einem Detail, antworteten sie meist viel zu langsam. Geübte Lügner waren gefährlich, entweder weil sie sehr heimtückisch waren oder weil sie andere zu beeinflussen verstanden.
    Ihr Talent, Lügen zu entlarven, ließ Morrow die Welt mit Verbitterung betrachten. Das Schlimmste daran war, dass sie dadurch auch nicht mehr in den Luxus kam, sich selbst anlügen zu können. Und im kalten, ungnädigen Tageslicht lebt es sich nicht leicht.
    Sie beneidete Meeshra um die

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