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In der Stille der Nacht - Thriller

In der Stille der Nacht - Thriller

Titel: In der Stille der Nacht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Mina
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Brauen überdachten seine gequollenen Augen. Arme und Beine, dürr aufgrund mangelnder Bewegung, hingen an einem vom Bier aufgedunsenen fassförmigen Körper.
    Pat hatte nie verstanden, was Eddy für Shugie übrighatte: der Mann war ein Wrack, fix und fertig und ein Langweiler noch dazu. Er trank schon so lange so viel, dass sogar seine Geschichten besoffen klangen. Sie handelten von Banküberfällen und Fluchtaktionen, nur dass er mittendrin den Faden verlor und einschlief. Aber Eddy bezeichnete das als »old school«, sah etwas Glamouröses in Shugies wilder Vergangenheit, das Pat verborgen blieb.
    Eddy hob sein Bein und trat Shugie in die Seite. Die Augenbrauen bewegten sich, aber der alte Mann rührte sich nicht. Eddy trat ihn noch einmal, diesmal fester, direkt in das weiche Fleisch unterhalb seiner Rippen. Shugie runzelte die Stirn, stieß einen Seufzer aus, aber er bewegte sich noch immer nicht.
    Und dann, während sie dort standen und ihn ansahen, breitete sich auf seiner Jeans ein dunkler Fleck in der Leistengegend aus, eine wachsende kreisförmige Verfärbung.

    »Allmächtiger«, sagte Pat und wendete den Blick ab.
    Eddy schüttelte den Kopf. Er ließ seine Verlegenheit an dem Kissenbezug aus, schubste ihn unversehens, ließ ihn rückwärts in den Flur und zur Haustür stolpern.
    »Bring das Bündel nach oben«, schnaubte Eddy im Befehlston.
    Pat hob eine Augenbraue und sog warnend Luft durch die Schneidezähne. Eddy besaß den Anstand zu Boden zu blicken. »Nur damit ich telefonieren kann …«, murmelte er.
    Pat ließ ihn schmoren, starrte Eddy an, der unruhig von einem Fuß auf den anderen trat. »Wenn’s dir nichts ausmacht.«
    Pat nickte und ging mit dem Kissenbezug los, fasste ihn am Ärmel und zog ihn an der Haustür vorbei.
    Der Teppich, auf dem sich ungeöffnete Post stapelte, glänzte vor festgetretenem Schmutz. Pat wollte hier nichts anfassen. Er behielt seine Hände bei sich, als sie die Treppe hinaufstiegen, wagte es nicht, den klebrigen Handlauf zu berühren. Mit den Händen ertastete der Kissenbezug wie ein Blinder den Weg nach oben, berührte jede Stufe vorsichtig mit der Schuhspitze bevor er sie betrat.
    Oben angekommen öffnete Pat eine Tür. Im Badezimmer stank es nach Pisse und Moder. Er versuchte es mit der nächsten Tür und stand in einem schmutzigen Zimmer voller Kisten und Müll. Zu viele Möglichkeiten, etwas zu finden, das sich als Waffe gebrauchen ließ. Er sah in das dritte Zimmer. Ein karges Bett und verstreut herumliegende Zeitschriften.
    »Da rein«, sagte er, führte den Kissenbezug sachte zur Tür.
    »Sie wollen, dass ich geradeaus gehe …?« Der Kissenbezug antwortete ebenso flüsternd wie Pat gesprochen hatte,
ganz so, als seien sie die Verschwörer und nicht Pat und Eddy. Pat gefiel das. »Ja, mein Freund, geh da rein.«
    Er spürte, wie durch die netten Worte etwas von der Anspannung aus dem Arm des alten Mannes wich, spürte die Weichheit seiner Schritte. Gerührt führte ihn Pat vorsichtig auf die andere Seite des Bettes und drehte ihn an den Schultern herum, so dass er mit dem Rücken dazu stand. »Hinter Ihnen steht ein Bett. Setzen Sie sich darauf, legen Sie die Füße hoch. Ich möchte, dass Sie hierbleiben, okay?«
    »Aber ich trage Schuhe.«
    Pat betrachtete das zerknitterte, fleckige gelbe Laken. »Deswegen würde ich mir keine Sorgen machen.«
    Der alte, blinde Mann, griff mit den Händen hinter sich, tastete nach dem Bett und ließ sich langsam herab. Pat half ihm. »So bitte. Jetzt die Füße hoch, gut so. Rutschen Sie in die Mitte.« Der alte Mann tat genau, wie ihm befohlen. »So ist es gut«, meinte Pat. »Jetzt hören Sie zu, bleiben Sie genau so liegen.«
    »Was, wenn ich … auf die Toilette muss?« Das Gesicht unter dem Kissenbezug war ihm zugewandt, wie das eines Kindes, das sich vor dem Einschlafen fürchtete.
    »Ach.« Pat wollte sagen, machen Sie gleich hier, weil Shugie wahrscheinlich sowieso schon oft genug ins Bett gepinkelt hatte, aber ihm gefiel die Illusion von Ordnung, wollte sich von dem Dreck und Durcheinander distanzieren. »Klopfen Sie mit dem Schuh auf den Boden, dann komme ich und führe Sie hin.«
    »Okay«, der Kissenbezug verschränkte die Hände im Schoß. »Ist gut.«
    Pat ging weg, hinaus in den Flur und schloss die Tür hinter der weißen Gestalt auf dem verdreckten Bett.

    Draußen vor der Tür blieb er stehen, hatte keine Lust nach unten zu gehen. Wenn er sich überhaupt irgendwo in dem Haus aufhalten wollte, dann am

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