In der Stille der Nacht - Thriller
etwas nicht: Die Ecken des Kissenbezugs lagen akkurat auf seinen Schultern. Es wirkte zu ordentlich. Er hatte den Bezug abgenommen und wieder aufgesetzt, was schon schlimm genug war. Seine Körperhaltung aber machte ihnen noch größere Sorge: Er saß zuversichtlich mit entspannten Schultern und hoch erhobenem Kopf da, sah ihnen entgegen, kauerte sich nicht zusammen. Sein Kopf schwenkte herum, als er durch den Kissenbezug von einem zum anderen zu sehen versuchte, wobei er sich so aufrecht hielt, dass es ihnen beiden unerklärlicherweise Angst einjagte, als sei dies der Probelauf für eine Begegnung vor Gericht. Es war unheimlich, weil ihn seine Körperhaltung menschlich wirken ließ.
Eddy sah Pat an, dann zu dem Spalt im Vorhang und wieder zurück zu dem zuversichtlichen Mann. Kissenbezug wusste, dass die Polizei da gewesen war. Er hatte am Fenster gestanden, hatte sie gesehen oder gehört und gedacht, sie würden kommen und ihn retten. Er hatte absichtlich auf den Boden gehämmert, um sie aufiegen zu lassen.
Pat spürte Eddys Wut wachsen, wie einen Schrei, der so hoch ist, dass man ihn nicht hören kann. Mit gebleckten Zähnen machte Eddy einen Schritt auf das Bett zu, hatte
völlig die Beherrschung verloren und packte den Mann am Unterarm, schüttelte ihn heftig, stieß ihn mit dem Gesicht zuerst auf die Matratze, drehte ihm den Arm auf den Rücken, so wie es Polizisten machen würden. Der alte Mann schrie »Nein« oder »Ah«, aber seine Stimme war sowieso sehr hoch, erschrocken, damit hatte er nicht gerechnet. Eddy drückte ihm das Gesicht aufs Bett, holte mit dem anderen Ellbogen aus und versetzte ihm einen heftigen Schlag in die Nieren. Der alte Mann krümmte sich stöhnend zusammen, die Matratze dämpfte sein Ächzen. Eddy schlug noch einmal zu und noch einmal, zielte auf die weiche Stelle am Rücken, traf absichtlich nicht die Rippen, sondern zielte auf das weiche Gewebe.
Pat sah größtenteils weg. Dann dachte er, Eddy könnte sehen, dass er wegsah und zwang sich, den Blick auf den Kissenbezug zu richten. Ihm entfuhr keine Reaktion auf die Schläge.
Eddy stand unstet auf dem Bett, über den Körper gebeugt, Speichelfäden hingen ihm vom Kinn, er keuchte wie ein Kind in einer Hüpfburg. Nur mit Mühe unterdrückte Pat ein Lächeln. Er sah zu, wie Eddy sich mit dem Handrücken die Spucke abwischte. Seltsam, dass ihm das so viel Spaß machte. Ein bisschen sadistisch. Auf diese Weise konnte man einen Menschen umbringen.
Er sah wieder auf den Kissenbezug, dachte vage an innere Blutungen und die Verletzlichkeit des menschlichen Körpers. Wenn Eddy ihn umbrachte, würde sich auch Eddy darum kümmern müssen, wie sie die Leiche loswurden, Pat jedenfalls würde das nicht übernehmen, er hatte ihm schließlich kein Haar gekrümmt. Aber dann würde er die Leiche wahrscheinlich Shugie oder sonst einem Arschloch überlassen
und er selbst und Eddy würden dafür in den Knast wandern.
Der alte Mann zuckte noch einmal, hob den Hintern in dem vergeblichen Versuch aufzustehen, sackte aber wieder mit dem Gesicht zuvorderst aufs Bett.
Plötzlich wieder ernst, gestikulierte Eddy zur anderen Seite des Betts. Pat schlurfte hinüber und dann nahmen sie jeder einen Arm und zogen Kissenbezug vom Bett, wollten ihn auf seine kraftlosen Beine stellen. Er kippte vornüber. Noch zweimal versuchten sie, ihn hinzustellen und beide Male sackten ihm die Knie weg. Allmählich war das besorgniserregend. Beim letzten Versuch, hielt er sich aufrecht, nur ein Knie knickte kurz ein, drehte seitwärts einen Bogen, kam aber zurück. Eddy lenkte Pat mit einem Kopfnicken Richtung Tür.
Sie zogen ihn auf den Füßen hinaus in den Flur, durch die Schimmelwolke an der Badezimmertür, lenkten ihn mal hierhin mal dorthin, vermittelten widersprüchliche Richtungssignale. Als sie am Treppenabsatz ankamen, heulte der Kissenbezug, brabbelte und nuschelte vor sich hin, schnappte zwischen lautem Schluchzen nach Luft.
Eddy blieb stehen, sah hinunter in den Eingangsflur und dann wieder zu Pat. Pat spürte die Wärme durch den Ärmel, menschliche Wärme, aber er sah auf den Teppich und dachte an Aleesha, wie sehr sie um ihren Vater trauern würde, und wie er den Arm um sie legen und ihr seidenweiches Haar über seinen nackten Arm gleiten würde. Seine Hand würde ihre Schulter umfassen, seine Fingerspitzen würden sich jedes Härchen merken, ihre kantigen Schulterblätter, die Wirbelsäule, die pudrige Weichheit ihrer Haut. Dann würde sie ihn brauchen. Von
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