In der Stille der Nacht - Thriller
das Ding mit jemandem zusammen durchzieht. Da könnte er viele Kontakte haben.«
»Wirst du das Betrugsdezernat einschalten?«
»Erst, wenn ich muss.«
»Dadurch wird die Lösegeldforderung plausibler, nicht wahr? Kannst du dich erinnern, dass die Banken auf den Kaimaninseln dichtgemacht wurden, wo sie alle ihre Gelder waschen ließen?«
»Wurden die wirklich geschlossen?«
»Ja, in dem Vortrag hieß es auch, es habe seit einem Jahr keine größeren Geldbewegungen mehr gegeben, seitdem die Kaimanbanken zu sind. Es hieß, die müssten jetzt alles bar lagern und sich nach Verstecken umsehen. Riesige Kisten mit Bargeld, riesige eingelöste Schecks.«
»Omar hat demnach möglicherweise irgendwo in einem Versteck Millionen in Kisten verstaut und sieht zu, wie die seinen Dad entführen?«
»Kann sein.«
»Was für ein Arsch macht denn so was?«
Morrow zuckte mit den Schultern. »Ein Arsch, der nicht erwischt werden will?«
Sie lächelte.
»Du freust dich tierisch, stimmt’s?« Er presste die Worte durch zusammengebissene Zähne, fühlte sich bedroht, als hätte sie das Ganze eingefädelt, um ihm zu schaden.
»Na ja, ich bin verdammt nochmal heilfroh, dass es nicht mein Fall ist.«
Das ehrliche Eingeständnis brach den eisigen Abstand zwischen ihnen und Bannerman lächelte die Straße vor sich an. »Miststück.«
Sie fuhren einen Moment schweigend, bis Morrow sprach. »Billal ist nicht besonders helle, oder?«
»Hm. Steht total auf seine Familie. Hast du gesehen, wie rot er wurde, als ich das Wichsheft gefunden hab?«
»Ja«, sagte sie. »Das ist seltsam. Du hast doch gesehen, dass sein Vater im Laden eine ganze Regalreihe voll davon hat. Das ist nicht schlimmer, als die anderen auch und die werden direkt über den Ladentisch verkauft. Wenn er da gearbeitet hat, muss er so was jeden Tag gesehen haben.«
»Vielleicht sieht er sich keine Pornohefte an. Vielleicht hat er’s früher mal getan und hat jetzt ein schlechtes Gewissen.«
Sie hatte den Eindruck, dass Bannerman von sich selbst sprach.
»Vielleicht ist er kurzsichtig«, sagte sie um abzulenken. »Egal, er hat seinen Bruder gerade ans Messer geliefert.«
Keiner von beiden sagte etwas, aber beide dachten, dass Billal nicht allzu traurig darüber gewirkt hatte.
Shugie blieb den ganzen Nachmittag auf demselben Barhocker sitzen. Sogar als er zum Rauchen nach draußen gegangen und wieder zurückgekommen war, hatte Senga in der Zwischenzeit alle anderen von seinem Platz verscheucht. Das Geld reichte für sechs Runden oder so, danach hatte er nur noch genug für einen Whisky, aber er wollte sie nicht darum bitten. Frauen wussten, wann das Geld alle war. Sie konnten es riechen, wie Einsamkeit.
Shugie rutschte von seinem Hocker und stolperte, fing sich aber wieder, indem er sich am Ende der Bar festhielt und hatte gerade noch Zeit, sich zu seinen schlangenartigen Reflexen zu beglückwünschen, bevor seine Knie so weich wurden wie Butter in einer Pfanne und er sanft zu Boden ging, noch einmal seufzte und auf dem kalten Steinfußboden einschlief. Ein Mann, der vom Rauchen kam, sah, dass er fiel und wollte ihn wieder hochhieven.
»Lass es!«, befahl Senga beschützerisch. »Lass es.«
Die Männer in der Kneipe betrachteten Shugie, der auf der Seite lag, dicht an den Messingfußlauf geschmiegt. Senga gestattete es bestenfalls, dass man auf einem Stuhl eindöste, aber auf dem Boden schlafen war verboten. Irgendwas musste zwischen den beiden sein.
24
Die absolute Dunkelheit erwachte zum Leben. Sie war ein Tier, ein Gas, eine Flüssigkeit, die Aamirs Nase erfüllte und ihn erstickte, seine Augen verklebte, durch den Hörkanal in ihn eindrang und Membranen überwand, in Kapillare, Venen und Arterien sickerte, sich katastrophal ausbreitete.
Da war nichts. Kein Geräusch von draußen, keine Lichtritzen, nichts kam zurück. Nichts.
Aamir schüttelte den Kopf, riss die Augen auf, schloss sie wieder, schlug sich ins Gesicht, zerrte an der Haut auf seinem Bauch, aber es hörte nicht auf. Er begann sich zu bewegen, zunächst langsam, versuchte vorsichtig Abstand zu nehmen. Er trat mit den Füßen, kratzte mit den Zehen rostigen Staub vom Boden, trippelte in der Röhre auf und ab, berührte die Enden mit ausgestreckten Armen, warf sich gegen die Wand und stieß sich wieder davon ab. Das machte er mehrere Male bis er merkte, dass er nicht davonrannte, sondern immer tiefer hineintrieb, tiefer und tiefer und jetzt war er so tief in der Dunkelheit versunken, dass
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