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In der Stille der Nacht - Thriller

In der Stille der Nacht - Thriller

Titel: In der Stille der Nacht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Mina
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die Straßen um die Moschee in der Oakfield Avenue herum und suchte einen Ort, an dem er sich verstecken konnte. Er kam am Zaun der Hillhead Highschool vorbei, sah Kinder auf dem Spielplatz, Kinder, die wie arme Gangsterrapper angezogen waren, dicke Teenagermädchen, mit engen Klamotten und Stiefeletten, sie unterhielten sich übertrieben angeregt, posierten, wollten Aufmerksamkeit. Auf der Straße streiften ihn jugendliche Erstsemester, eilten an ihm vorbei in ihre Seminare.
    Er bog in eine Straße ein, von der er wusste, dass Gebäude des Fachbereichs Deutsch sie säumten. Er kannte niemanden, der Deutsch studierte. Die Straße war ruhig, und er ließ den Kopf und die müden Schultern hängen.
    Aamir würde wissen, was zu tun war. Er hätte geschimpft und gebrüllt und ihnen gesagt, was sie tun sollen. Immer wenn Omar an Aamir dachte, stellte er sich eine sehr kleine wütende Maus im Schlafanzug vor. Klein, weil er klein war und wütend, weil er wirklich ständig wütend war - er sprach nie mit ihnen, es sei denn, um sie zu tadeln oder zu korrigieren; und im Schlafanzug deshalb, weil Aamir selten zu Hause war, es sei denn, wenn es Zeit war schlafen zu gehen. Sie mussten kein Schulgeld mehr bezahlen, es war nicht nötig, dass er sechzehn Stunden täglich arbeitete. Er mied seine Familie.

    Omar sah seinen Vater, der seine verwöhnten, glücklichen Kinder betrachtete und er spürte seine Verunsicherung, seine Enttäuschung. Sie wollten neue Klamotten und Autos, eigene Zimmer, sie wollten Schuhe, Essen, Urlaub und iPods. Sadiqa wollte Bücher und andauernd neue Kleider, weil sie ständig dicker wurde. Sie wollten abends nicht beten, sie wollten nirgendwohin laufen, sie wollten keine Nachtschichten in dem stickigen kleinen Laden übernehmen, wo ihnen Johnny Lander immer wieder dieselben Geschichten über seine Zeit bei der Armee erzählte. Sie waren Kinder von der Privatschule und fanden, es sei unter ihrer Würde, sich hinter einen Verkaufstresen zu setzen, sich von Säufern, Ladendieben und rassistischen Arschlöchern, die auf der Suche nach Limo und Teebeuteln in Pantoffeln angeschlappt kamen, Scheiße gefallen zu lassen.
    Aamir war aus Uganda vertrieben worden und völlig mittellos nach Glasgow gekommen. Er hatte zwei Jahre lang als Müllmann gearbeitet, sich jeden Tag von seinen Kollegen, von Schulkindern und allen möglichen Leuten Beleidigungen anhören müssen. Irgendwann hatte er einen Laden aufgemacht, in dem er mindestens einmal pro Tag als schwarzes Arschloch beschimpft wurde und in dem er sich von seiner furchterregenden neuen Frau und, später als sie auf der Welt waren, auch vor den Kindern versteckte. Omar kannte die Fakten, er begriff, welche Not seinen Vater geprägt hatte, aber erst jetzt entwickelte er ein Gefühl für die ungeheure Ungerechtigkeit dessen, was Aamir bislang widerfahren war.
    Er war in einen Hinterhof gelaufen, war von stinkenden Verschlägen für Mülltonnen und überwucherten Gärten umgeben. Nur eine Mauer trennte ihn von der Universität.
Eine weiße Katze flitzte durch ein Loch im Zaun davon. Gezielt betrat er einen der Mülltonnenverschläge.
    Im Dunkeln, umgeben vom nasskalten Gestank gammliger Windeln und schimmligem Gemüse, schlug Omar die Hände vors Gesicht und schluchzte aus Sorge um seinen Daddy, der es nie leicht gehabt hatte.

25
    Sie trödelten. Bannerman und Morrow schlenderten vom Parkplatz am Reviergebäude die Straße entlang, als hätten sie alle Zeit der Welt, und als stünde nicht das Leben eines alten Mannes auf dem Spiel, der sich jeden wachen Moment der letzten dreißig Jahre unbescholten seiner Arbeit gewidmet hatte.
    Hätten sie darüber nachgedacht, hätte keiner von beiden so recht gewusst, weshalb sie ihre Zeit zu zweit künstlich verlängerten. Sie mochten einander nicht, hatten keinerlei Gemeinsamkeiten, aber im Verlauf des Tages war es ihnen geglückt, eine Art Waffenstillstand zu schließen. Diesen wollten sie ungern in der Gesellschaft anderer wieder aufgeben müssen.
    Bannerman entdeckte den Minisupermarkt unten an der Straße.
    »Ich brauche eine Zeitung …«, sagte er.
    »Nein.« Morrow schob ihn zur Tür des Reviergebäudes. »Komm schon …«
    Mit gequälter Miene gab er den Sicherheitscode in das Tastenfeld mit den Zahlen ein. Die Tür summte, sie starrten sie an bis Morrow sie aufdrückte. »Jetzt schieb deinen Arsch schon da rein.«
    Am Anmeldeschalter standen zwei Männer in Zivil, die mit den Beamten hinter dem Tresen scherzten. Morrow

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