In die Nacht hinein: Roman (German Edition)
Rebecca war auf der Columbia, Julie studierte Medizin und Rose war drüben in San Diego in die epische Schlacht mit ihrem ersten Mann verwickelt. Wie musste es für Missy gewesen sein, der zu spät zu der Party kam, der seine Jugend in kaum erleuchteten Zimmern (Sparsamkeit war eine der fixen Ideen von Beverly geworden) inmitten von Überbleibseln und Gerümpel verbrachte? Bei einem Besuch, als Missy sechzehn war, schrieb Peter seinen Namen in den Staub am Fensterbrett. Er fand eine uralte tote Maus hinter dem Ficus in der Wohnzimmerecke, kehrte sie in eine Schaufel und entsorgte sie heimlich, als hoffte er, dadurch die Taylors vor einer gefürchteten Diagnose zu schützen.
Missy. Es ist durchaus nachvollziehbar, sowohl die glatten Einser, die ihn nach Yale führten, als auch die Drogen, die ihn woandershin führten.
Wenn überhaupt, dann sieht er so aus, als habe er alles erstaunlich gut überstanden, zumindest im fleischlichen Sinn.Als kleiner Junge sah er etwas sonderbar aus, aber als er älter wurde, zeigten seine Züge eine kantige Schönheit, fast so, als wäre sie zum Schutz herabgerufen worden, als hätte eine gute Fee einem betrübten Prinzen einen verzauberten Mantel geschenkt. Mädchen, so ging das Gerücht, riefen an, bevor er elf geworden war.
Rebecca sagt gerade: »… und in das große Zimmer , wie sie es immer mit völlig ernster Miene nennt.«
Missy lächelt bekümmert. Er hat, so scheint es, nicht die gleiche bittere Freude an Julies bourgeoisem Gewese, ihrer unkritischen Empfänglichkeit für alles Riesige und Makellose.
»Ich nehme an, sie fühlt sich dort sicher«, sagt Missy.
Rebecca kapiert das nicht. »Sicher wovor?«, sagt sie.
Missy schaut sie lediglich fragend an, als wartete er darauf, dass sie wieder ihre natürliche Gestalt annimmt. Sein Teint ist vor Unwohlsein dunkler geworden (Rebecca regt sich wirklich über Julie auf, schwer zu sagen, warum), seine Augen glitzern und sind schwarz-braun.
Peter sagt: »Vor allem auf der Welt, nehme ich an.«
»Warum sollte man vor der Welt sicher sein wollen?«, fragt Rebecca.
Rebecca, warum solltest du auf einen Streit aus sein?
»Nimm eine Zeitung. Schalte CNN ein.«
»Ein Schloss am Stadtrand wird sie nicht retten.«
»Ich weiß«, sagt Peter.»Wir wissen es.«
Rebecca schweigt, sammelt sich. Sie ist irgendwie wütend – vermutlich weiß sie selbst nicht, warum. Missy hat sie aufgeregt, sie erinnert, sie dazu gebracht, sich irgendeines Verbrechens schuldig zu fühlen.
Peter riskiert einen Blick zu Missy. Hier ist sie wieder, diese jähe heimliche Verbundenheit. Wir – wir Männer – sind die Ängstlichen, die Pfuscher und Nervösen; wenn wir manchmal die Skeptiker oder Rüpel geben, dann kommt das daher, weil wir vermuten, dass wir auf eine tiefe, unberechenbare Art im Unrecht sind, die Frauen gar nicht kennen. Unsere Außendarstellung misslingt uns, unsere Laster und Angewohnheiten sind lachhaft, und wenn wir uns an der Himmelspforte der riesigen schwarzen Frau vorstellen, die sie bewacht, wird sie uns nicht nur auslachen, weil wir nicht unschuldig sind, sondern weil wir keine Ahnung von irgendetwas haben, worauf es wirklich ankommt.
»Ach, ich weiß nicht«, seufzt Rebecca. »Ich kann es nur nicht ausstehen, dass sie so geworden ist.«
»Die meisten Leute werden so«, sagt Peter. »Die meisten Leute wollen irgendwann Kinder und schöne Häuser haben.«
»Julie ist nicht wie die meisten Leute.«
Hm. Wieder einer dieser unmöglichen Ehemomente. Täusche Zustimmung vor oder riskiere eine Implosion.
»Die meisten Leute meinen, dass sie nicht wie die meisten Leute sind«, sagt Peter.
»Es ist etwas anderes, wenn es sich um deine Schwester handelt.«
»Schon kapiert«, sagt Peter. Er weiß, welche Miene er ziehen muss.
Deine Schwestern und dein Bruder leben noch, nicht wahr? Meinst du, ich würde nicht liebend gern hier sitzen und mich über den fetten alten Matthew, seinen nicht besonders hellen Freund und das ungezogene koreanische Adoptivkind beklagen, das sie nicht zur Ordnung rufen wollen?
Es ist ungerecht. Natürlich ist es ungerecht, ungehörig sogar, eine Auseinandersetzung damit zu unterbinden, dass du dich auf deinen toten Bruder berufst.Aber es sollte keine Zankerei geben, nicht an Missys erstem Abend.
Frage: Legt es Rebecca gerade deshalb auf einen Streit an, weil sie weiß, dass Peter unglücklich über den Besuch ist? Damit können sie sich später befassen. Auch mit der Frage, ob man einem ehemaligen
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