In einem Boot (German Edition)
wollten in allen Einzelheiten wissen, wie ihre Schwester die Situation erlebt hatte. Im Fall der Titanic war ein Mangel an Rettungsbooten schuld an der Katastrophe, aber diejenigen, die es in eines der Boote schafften, wurden innerhalb kurzer Zeit gerettet. »Das Schiff sank nachts, und deshalb waren viele Menschen völlig unpassend gekleidet«, sagte Mrs McCain. »Jedes Mal wenn meine Schwester darüber spricht, muss sie lachen, und sie sagt, ihre größte Sorge galt dem Umstand, dass sie lediglich ein Paar juwelenbesetzte Seidenpantoffeln trug und man ihre Fußknöchel sehen konnte, als sie in das Rettungsboot ein- und später wieder ausstieg.« Die anderen weiblichen Passagiere blickten auf ihre Füße, ich eingeschlossen, und erröteten, was für mich ein Trost war, denn es bewies mir, dass irgendwo da draußen eine Welt existierte, in der es keine größere Sorge als die Schicklichkeit gab. Mr Nilsson ergötzte uns mit seinem Fachwissen über das Schiffswesen und erzählte, dass das Schwesterschiff der Titanic eigentlich Gigantic hätte heißen sollen, aber nach dem Unglück entschied sich die White-Star-Linie für den Namen Britannic . »Wahrscheinlich wollten sie das Schicksal nicht noch einmal mit einem derart arroganten Namen herausfordern.«
»Die Titanic sank nicht wegen ihres Namens«, ließ sich Mrs McCain vernehmen, »sondern wegen eines Eisbergs. Glauben Sie, dass unserem Schiff das Gleiche passiert ist?«
»Wir sind nicht mit einem Eisberg zusammengestoßen«, sagte Mr Hardie. »Als die Titanic gesunken war, sind die transatlantischen Schiffsrouten nach Süden verlagert worden, damit so etwas nicht wieder passiert.«
Mr Sinclair ergänzte, dass die meisten Rettungsboote der Titanic innerhalb von vier Stunden gefunden worden waren, und es waren diese Worte, zusammen mit den Informationen, die wir von Mr Hardie bekommen hatten, die uns glauben ließen, dass unsere Rettung kurz bevorstand, wenn nicht gar überfällig war.
Mr Hardie versicherte uns, dass man aus der Katastrophe der Titanic gelernt habe. Die Sicherheitsvorkehrungen waren überarbeitet worden, aber bei der Umsetzung dieser Pläne waren Fehler gemacht worden. Wegen des Feuers und der Schlagseite der Zarin Alexandra war es zunehmend problematisch geworden, die Winden zu bedienen, mit denen die Rettungsboote zu Wasser gelassen wurden, und es herrschte natürlich eine erhebliche Verwirrung an Bord, weil die Menschen versuchten zu begreifen, was geschehen war und was sie jetzt tun sollten.
»Ich fiel buchstäblich aus dem Bett«, sagte Mrs Forester, die stille ältere Frau, die ich vom Schiff her kannte. »Ich hatte mich nach dem Mittagessen etwas hingelegt, während Collin Karten spielen wollte. Mein erster Gedanke war, dass er mal wieder betrunken hereingekommen und gegen mich gefallen war. Ich mache mir natürlich Sorgen um ihn, aber Collin ist der geborene Überlebenskünstler.« Weil es uns selbst gelungen war, kam uns das Überleben so einfach vor, aber unter der Oberfläche unserer eigenen Geschichten lauerten solche von Menschen, die ihre Babys ins Wasser geworfen hatten, um sie vor dem Feuer zu retten.
Isabelle fragte: »Warum hat man unser Boot wieder nach oben gezogen, nachdem wir schon auf dem Weg nach unten waren?« Dann wandte sie sich direkt an Mr Hardie: »Sie müssen das doch wissen. Sie haben doch bei den Booten geholfen, nicht wahr?«
Mr Hardie, der den ganzen Tag sehr redselig gewesen war, wurde plötzlich schweigsam und sagte nur knapp: »Nein, keine Ahnung.«
Dann fragte Isabelle: »Glauben Sie, das kleine Mädchen, das von unserem Boot am Kopf getroffen wurde, als es wieder hochgezogen wurde, konnte in das nächste Rettungsboot einsteigen?«
»Was für ein kleines Mädchen?«, fragte Mrs Fleming, die ganz verzweifelt war, weil sie nicht wusste, was mit ihrer Familie geschehen war, und die sich nicht irgendwelchen Tagträumereien hingab, mit denen wir anderen uns die Zeit vertrieben.
»Das Mädchen, das von unserem Rettungsboot zu Boden gestoßen wurde.«
»Jemand wurde zu Boden gestoßen? War es Emmy? Sie meinen doch nicht, dass es Emmy war, oder?« Mrs Fleming erklärte, dass ihr Mann und ihre Tochter in dem Tumult rings um die Rettungsboote ein Stück zurückgeblieben seien, was sie aber erst bemerkt habe, als es schon zu spät war. »Sie waren hinter mir! Ich hatte mir irgendwie die Hand verletzt, und Gordon hat mich nach vorn gestoßen. Ich dachte, sie seien direkt hinter mir!«
Hannah warf Isabelle einen
Weitere Kostenlose Bücher