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In einem Boot (German Edition)

In einem Boot (German Edition)

Titel: In einem Boot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Rogan
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Gefühls, in einen bodenlosen Abgrund zu stürzen, dankte ich nach jeder glücklich überstandenen Welle Gott und Mr Hardie für mein Leben.
    Ich sagte gerade für einen weiteren glücklich erklommenen Wellengipfel Dank, als etwas widerhallend gegen den Bootsrumpf schlug. Steuerbord brachen Tumult und Geschrei aus. Hardie hielt einen kurzen Moment mit dem Schöpfen inne und fragte schreiend, was da los sei. »Wir sind mit etwas zusammengestoßen!« Und: »Etwas ist gegen uns geprallt!« Es war nicht so, dass der genaue Wortlaut irgendeine Rolle spielte. Ob es das verlorene Fass gewesen war oder Wrackteile der Zarin Alexandra oder ein Riff, das Gott in der Hoffnung auf unseren Untergang dort platziert hatte, konnten wir nicht herausfinden.
    Irgendwann schließlich ließ der Wind etwas nach und die monströsen Wellen sackten ein wenig in sich zusammen, doch der Regen prasselte mit unverminderter Heftigkeit bis weit in die Nacht hinein auf uns nieder. Mr Hardie verstaute die beiden verbliebenen Fässchen zwischen den Seiten des Bootes und dem durchweichten Deckenhaufen und befahl jenen, die der Abdeckplane am nächsten saßen, das dort gesammelte Regenwasser in die Fässer abzuleiten. Ich wäre nicht auf diese Idee gekommen, oder wenn doch, so hätte ich dem Gedanken wohl kaum die Tat folgen lassen. Ich begriff, was für ein Optimist Hardie sein musste. Vielleicht waren dies aber auch nur die instinktiven Handlungen einer Kreatur, die überleben will.

Nacht
    Mrs Forester, die so schweigsam und aufmerksam gewesen war, wurde in dieser Nacht wahnsinnig. Sie tobte und stritt sich mit ihrem Ehemann, der am Tag des Schiffsuntergangs zu viel getrunken hatte und höchstwahrscheinlich nicht mehr am Leben war. »Wenn du es heute wieder wagst, Hand an mich zu legen«, sagte sie, »dann bringe ich dich im Schlaf mit deinem eigenen Messer um.« Aber erst, als sie Colonel Marsh, der direkt vor ihr saß, mit Collin anredete und schlitzende Bewegungen mit ihrer Faust machte, versuchten wir, sie zu beruhigen. Joan, die Frau, die seit zwanzig Jahren in ihren Diensten stand, umfasste sie und flehte sie an, sich zusammenzureißen. »Das ist nicht Collin, Misses«, sagte sie in ruhigem, vernünftigem Ton. »Collin ist nicht hier.«
    »Die Ärmste«, sagte Hannah in einem unerwarteten Ausbruch von Mitgefühl, aber jeder Versuch, Mrs Forester zu beruhigen oder zu berühren, wurde heftig abgewehrt. Irgendwann wurde sie bewusstlos, und Joan zog sie mithilfe von Mr Preston und Mrs Grant in die Schlafnische, wo sie es ihr auf den nassen Decken so bequem wie möglich machten, was zur Folge hatte, dass dort sonst niemand mehr ruhen oder schlafen konnte. Mr Hoffman sprach sich dafür aus, sie über Bord zu werfen, aber Hannah und Mrs Grant beschützten sie und sagten, dass es Männer waren, die sie zu dem gemacht hatten, was sie heute war, und dass die Männer verdammt noch mal Rücksicht auf sie nehmen sollten.
    Ich schlief unruhig. Wenn ich nicht über die Ereignisse dieses entsetzlichen Tages nachgrübelte, dann träumte ich von ihnen. Ich schreckte hoch, weil ich mir einbildete, über Bord zu fallen, und manchmal fiel ich tatsächlich, aber nur auf Mary Ann oder Mr Preston, der neben mir am Dollbord saß.
    Was mich in dieser Nacht am meisten beschäftigte, war die Überzeugung, dass der Mensch, wenn er eine Wahl traf, sich kaum jemals zwischen Richtig und Falsch entschied oder zwischen Gut und Böse. Ich hatte begriffen, dass die Alternativen, die der Mensch vor Augen hatte, oft viel unklarer und schwammiger waren und dass es keine Hinweisschilder gab, die den besten Weg aufzeigten. Hatte Mr Hardie sich richtig entschieden, indem er die Lotterie manipulierte? Mir fiel als Antwort nur ein, dass Richtig oder Falsch rein gar nichts damit zu tun hatten. Während ich darüber nachdachte, klopfte ein Vorfall an mein Bewusstsein, der sich am ersten Tag ereignet hatte. Er klopfte so lange an, bis ich ihm die Tür öffnete. Es war der Moment, in dem wir das Kind dem Tod überlassen hatten.
    Ich weiß nicht, ob es schwierig gewesen wäre, den kleinen Jungen zu erreichen. In einem Moment war ich davon überzeugt, dass eine Rettung ohne größere Probleme möglich gewesen wäre, und im nächsten erinnerte ich mich an die unzähligen gefährlichen Hindernisse zwischen uns und dem Kind. Ich bin mir heute noch nicht sicher, ob meine Einbildung die Gefahren, die eine Kursänderung mit sich gebracht hätte, kleiner oder größer scheinen lässt, aber wenn ich

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