In einer anderen Welt (German Edition)
bin.
Die Insel der Toten ist wirklich seltsam. Mir gefällt die Idee, Welten zu erschaffen, und die außerirdischen Götter und die Aliens und der ganze Hintergrund. Allerdings weiß ich nicht, was ich von der eigentlichen Handlung halten soll.
Donnerstag, 24. Januar 1980
Heute Abend besuchen wir eine Aufführung von Der Sturm im Theatre Clwyd in Mold. Außer mir findet das anscheinend niemand aufregend, also tue ich so, also wäre es mir ebenfalls gleichgültig. Deirdre hat gesagt, sie fände Shakespeare furchtbar. Sie hat Das Wintermärchen und Richard II. gesehen, und sie mochte beide nicht. Gut möglich, dass das Ensemble nichts taugt, denn zumindest Richard II. müsste auf der Bühne großartig ein. »Laßt uns niedersitzen zu Trauermären von der Kön’ge Tod.«
Anscheinend ist die neue Freundlichkeit von Dauer. Haben meine Mitschülerinnen bisher gedacht, ich würde nur so tun, als wäre mein Bein kaputt? Oder ist sonst irgendwas geschehen? Ich mache kein großes Aufheben darum, als wäre es normal, bleibe jedoch abweisend, denn wenn ich etwas preisgebe, kassiere ich nur wieder eine Retourkutsche.
Ich lese Der Herr der Ringe . Mir war plötzlich danach. Ich kenne es fast schon auswendig, aber ich kann trotzdem noch ganz darin eintauchen. Ich kenne kein anderes Buch, bei dem man so sehr den Eindruck hat, sich auf eine Reise zu begeben. Wenn ich es weglege, um das hier zu schreiben, habe ich das Gefühl, zusammen mit Pippin auf den Widerhall des Steins im Brunnen zu warten.
Freitag, 25. Januar 1980
Das Erste, was mir an der Sturm -Inszenierung der Touring Shakespeare Company nicht gefiel, war, dass Prospero von einer Frau gespielt wurde. Sie war sehr gut, aber mit einer Mutter ist das Stück einfach nicht mehr stimmig. Schließlich geht es vor allem um den Gegensatz zwischen männlich und weiblich: Prospero und Sycorax, Caliban und Ariel, Caliban und Miranda, Ferdinand und Miranda. Zugegeben, so passen Prospero und Antonia auch in dieses Schema. Aber die Beziehung zwischen Prospero und Miranda ist überhaupt nicht mehr glaubhaft, schon gar nicht als Beziehung zwischen Mutter und Tochter. Und Prospero war mir auch nicht mehr sympathisch. Ich habe ihn als unnahbaren Mann gelesen, der mit einem Kleinkind nicht viel anfangen kann, aber eine solche Frau ist zu unnatürlich, um sie zu mögen. Womit ich nicht sagen will, dass die Frauen die Kinder am Hals haben sollten, aber – was bei einem Mann interessant ist, wenn er versucht, sein Möglichstes zu tun, wirkt bei einer Frau wie Vernachlässigung.
Allerdings muss sich Prospero das auch vorwerfen lassen, von welcher Warte man es auch betrachtet. Offenbar war er als Herzog von Mailand eine absolute Niete, und daran würde sich auch nichts ändern. Ich kann wirklich nachvollziehen, dass jemand seine ganze Zeit in der Bibliothek verbringen und sein Buch lesen möchte, anstatt sich um seine Pflichten zu kümmern. Aber es gibt nicht einen Hinweis darauf, dass er nach ihrer Rückkehr nicht genau das Gleiche machen würde. Es wäre sogar noch schlimmer, denn er würde alles lesen wollen, was seine Lieblingsautoren geschrieben haben, während er auf der Insel festsaß. Antonia war wahrscheinlich ein viel besserer Herzog. Klar, er war ein hinterhältiger Schweinehund, aber er würde bestimmt dafür sorgen, dass alle glücklich und zufrieden sind, weil das zu seinem Vorteil wäre. Die Leute waren wahrscheinlich entsetzt, als Prospero zurückkam, ertränkte Bücher oder nicht.
Von alldem wird in meinem Aufsatz über das Stück nur wenig stehen. Und ganz bestimmt schreibe ich nichts darüber, was ich von den Feen gehalten habe, denn die waren genial und erstaunlich lebensecht.
Ariel hat nicht gesprochen, sie hat ihren ganzen Text gesungen. Sie trug irgendetwas Weißes, eng Anliegendes, mit lauter Schleiern, die sie umschwebten, wenn sie sich bewegte oder gestikulierte. Sie hatte einen rasierten Kopf, der ebenfalls von einem Schleier verdeckt war. Als sie am Schluss in die Freiheit entlassen wird, fallen alle Schleier zu Boden, und wir sehen zum ersten Mal ihr Gesicht, und ihr Gesichtsausdruck gleicht dem einer Fee – wirklich überzeugend. Ob die Schauspielerin wohl schon welchen begegnet ist? Der Gesang brachte schön zum Ausdruck, wie sonderbar sie sprechen. Gut gemacht, Shakespeare, gut gemacht, Touring Company. Shakespeare kannte die Feen bestimmt, und zwar recht gut. Er hat einfach gemacht, was ich auch mache, und das, was sie sagen, so übersetzt, dass das
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